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die bloss ein Ueberrest des Brauchs der Wilden ist, sich zu verstümmeln. In der Tat kommt er mit gar keinen Forderungen und Ansprüchen zum Menschen. Er kommt natürlich und unvermeidlich aus dem Menschen heraus. Er ist der Punkt, zu dem alle Entwicklung hindrängt. Er ist die Differenzierung, der alle Organismen entgegenwachsen. Er ist die Vollkommenheit, die in jeder Form des Lebens darin steckt und zu der jede Form des Lebens unterwegs ist. Und so übt der Individualismus keinen Zwang auf den Menschen aus. Er sagt im Gegenteil zum Menschen, er solle keinen Zwang über sich dulden. Er versucht nicht, die Menschen zum Guten zu zwingen. Er weiss, dass die Menschen gut sind, wenn man sie in Ruhe lässt. Der Mensch wird den Individualismus aus sich heraus entwickeln. Der Mensch ist jetzt dabei, den Individualismus so zu entwickeln. Fragen, ob der Individualismus praktisch ist, heisst fragen, ob die Entwicklung praktisch ist. Entwicklung ist das Gesetz des Lebens, und es gibt keine Entwicklung, die nicht zum Individualismus drängte. Wo diese

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Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/92&oldid=- (Version vom 31.7.2018)