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Walther Kabel: Drei Tage aus dem Leben eines großen Königs. In: Illustriertes Sonntagsblatt. Beilage zur Greifswalder Zeitung, Nr. 3, S. 22–23

Husaren zugesagt. Nur eine Meldung war noch zu erledigen, welche den Baron veranlaßte, den Diener zu wecken und mit einem Briefe zu Wallis zu senden. Kappel bestieg sein Pferd und verließ mit dem Briefe das Schloß. In der stillen dunklen Nacht, auf einsamem Wege im dichten Walde, regte sich jedoch sein Gewissen. Er beschloß, den Brief nicht an Wallis, sondern dem Pfarrer Gerlach in Strehlen auszuhändigen. Es war Mitternacht, als er die Zügel seines Pferdes an die Fensterlade des Pfarrhaues befestigte und den Pfarrer weckte. Gerlach las den Brief, welcher aktenmäßig lautete: „Es ist nichts weiter Vorgefallen. Des Königs Kutsche steht vor der Tür. Es ist nirgends ein Piket, auch keine Hauptwache, auch kein Marketender. Das Hauptquartier ist nicht pompös. Bin heute darin gewesen. Ich sah eine Schildwache auf der Gasse. Es stehen nur zwei Schildwachen vorm Zimmer, welches gar sehr klein ist. Fürchten Sie sich vor nichts. Sie machen das größte Glück. In Pogart stehen wegen der Deserteure zwanzig Mann. Sie haben nun den Wegweiser. Morgen geht die Kriegskasse und die Artillerie ab. Eilen Sie. Ich kann nicht gut sagen, daß der Vogel nicht in einigen Tagen ausfliegt. Adieu.“ – Es war klar, daß in dieser Nacht der König aufgehoben werden sollte. Eine Stunde später befand sich Kappel beim Könige. Friedrich war tief erschüttert durch den ihm widerfahrenen Undank. Warkotsch rettete sich durch die Flucht. Kappel erhielt eine Försterstelle bei Oranienburg und Pfarrer Gerlach die beste Pfarrstelle in Schlesien. Für Menschen, deren Treue erprobt war, empfand der große König stets eine unvergängliche Dankbarkeit. Und doch starb er, der sich selbst in seinen letzten Lebensjahren den Einsiedler von Sanssouci nannte, einsam in seinem Potsdamer Schlosse am 17. August 1786. Die Nachwelt bewunderte und ehrte in ihm mit Recht den Feldherrn, Staatsmann und Weltweisen, und das Volk krönte ihn mit einem Namen, den nur die Überzeugung von der wahren Größe eines Herrschers aufkommen läßt, mit dem Namen: Friedrich der Große.


Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Drei Tage aus dem Leben eines großen Königs. In: Illustriertes Sonntagsblatt. Beilage zur Greifswalder Zeitung, Nr. 3, S. 22–23. Greiner & Pfeiffer in Stuttgart, Greifswald 1912, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Tage_aus_dem_Leben_eines_gro%C3%9Fen_K%C3%B6nigs.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)