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Horizontalstrichen sind diese Zeichen auf der Stirn und aus anderen Teilen ihres braunschwarzen Körpers ausgemalt, wodurch diese Leute in dem unheimlich düsteren, von phantastischen Figurenpfeilern getragenen Tempeltorbogen fast gespenstig aussehen. Überraschend ist namentlich die durch die langgezogenen Augen bewirkte Physiognomie-Ähnlichkeit dieser Figuren mit altägyptischen.

Im Tempel zu Madura

Gelingt es uns, durch zahllose Höfe und Wandelgänge und Pfeilerhallen schließlich den oder richtiger die beiden Haupttempel zu erreichen, so werden wir mit Verstimmung gewahr, daß die zuerst so verblüffende architektonische Kunst des drawidischen Dombaumeisters doch nur recht äußerlich und inhaltsleer ist und durch die überladene Ausgestaltung der Außenwerke erschöpft scheint, wobei die wunderlichsten Handwerkskunststücke angewendet sind. Statt einen glorreichen Mittelpunkt der ganzen Anlage zu bilden, ist der Doppeltempel für das Götterehepaar nur durch die Vergoldung seiner Pyramidendächer von den anderen, willkürlich in- und aneinandergebauten Räumlichkeiten dieses riesigen Tempels zu unterscheiden. In diesem krankhaften, sinnverwirrenden Trachten nach erstaunlichen technischen Leistungen von noch nie dagewesener Art, jedoch ohne höheren Zweck und Sinn, in diesem Kokettieren mit allerdings nicht leichten Siegen über selbstgeschaffene, aber durchaus entbehrliche und vermeidbare Schwierigkeiten, in diesem Vergessen eines erhabenen Hauptzieles über dem völlig Nebensächlichen offenbart sich das Wesen dieser südindischen, drawidischen Kunst. Eine so ausgedehnte Tempelanlage mit Gängen und Hallen zu versehen, deren gewaltige Pfeiler aus dem massiven Granitgestein einst hier tief im

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/105&oldid=- (Version vom 1.7.2018)