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Vorwort.



Das Studium der Menschheit ist „der Mensch“! Wer diesem Wahlspruch folgend den Drang verspürt, in lebendiger Berührung mit der Welt den Horizont seines Geistes zu erweitern, kann der für die fast hypnotische Anziehungskraft unempfindlich sein, die der Name und Begriff Indien ausübt? Wo anders, als in dieser warmen Wiege unserer sozialen Einrichtungen, findet der Forscher Menschen, die uns und unserer Kultur zwar nahe, der Überkultur aber noch unendlich fern stehen? Welches Land verspricht alle Wunder der Welt in so reichem Maße zu zeigen wie dieses mit dem vergangenen Leben der Menschheit aufs innigste verflochtene Stück Erde? Wie lockend erscheint es, unter dem herrlich veranlagten Volke der Hindus zu wandeln, die noch heute die scharf vorgezeichnete Lebensführung des Altertums einhalten, während uns von Hellas und Assyrien und Ägypten nur noch leblose Ruinen die alten Kulturformen verkünden!

Wie der fabelhafte Magnetberg der indischen Sage wirkte dieses Land von Jugend an auf mich ein; immer aufs neue zog es mich vom heimatlichen Boden zurück, neue Aufschlüsse über das Erstaunliche zu suchen, das dieses in einem Vorheitszustand erstarrte und doch von warmem Blute durchpulste Hindutum auf allen Seiten umfängt. Auch ist es nicht die schwächste unter den Zauberwirkungen Indiens, daß unser geistiges Auge erst ganz allmählich das eigentlichste Wesen dieses Landes mit jenem „zweiten Gesicht“ zu erschauen vermag, das nicht an der oft widerlichen Oberfläche haften bleibt, sondern mit stetig wachsendem Erstaunen erkennt, daß darin alle Geheimnisse wurzeln, aus denen die Seele des Orients entsprang.

Nicht weniger als vier Fahrten nach Indien fand ich nötig, um dieses schier unergründliche Riesenreich und seine Völker etwas mehr als oberflächlich verstehen zu lernen, ein Reich, dessen Umfang bei uns zu Lande selbst heutigen Tages noch häufig unterschätzt wird, und das manche, die nur auf seine äußerlichen Merkwürdigkeiten achten, nicht einmal ganz ernsthaft zu nehmen pflegen. Daß die britischen Besitzungen in Indien an Fläche noch

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite V. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.7.2018)