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noch triefend nassen Umschlagtücher einwickeln und in diesen glatt anliegenden Hüllen davonrennen.

Alabasterbild des Gottes Wischnu und seiner Gemahlin Lakschmi. 1/5.

Hier in diesem wahrhaft paradiesischen Gebiet erhebt sich als Haupt- und Lieblingssitz der Brahmanen in Südindien eine Tempelstadt, die sie sehr bezeichnend „Himmlische Wollust“ oder Srirangam[WS 1] nannten, was die Engländer Seringham schreiben, und die wirklich einen Inbegriff märchenhaften Brahmanenlebens vorstellt.

Karren für festliche Umzüge der Götterbilder.

Wir schreiten durch die enge Öffnung eines ungeheueren Stadttores, an dessen Außenwand zahllose Säulen mit wunderlichen, drawidischen Kapitälen prangen; dasselbe ist jedoch nur das unterste Stockwerk einer unvollendeten Gopura, von denen eine ganze Anzahl in der vor uns liegenden Straße, eine hinter der anderen, emporragt; am besten läßt sich dies von dem flachen Dache irgend eines Hauses aus wahrnehmen, wobei auch die Anlage der Stadt in sieben konzentrisch ineinander gefügten, von Mauern umgebenen Höfen auffällt, deren Durchgangstore stets durch einen der genannten hochragenden, mit bunten Tonfiguren übersäten Gopuras ausgezeichnet sind.

Gopura in Seringham;
über dem Durchgang die ruhende Figur des Gottes Wischnu, dem die Tempelanlage geweiht ist.

Daß diese ganze Stätte nicht wie der große Tempel zu Madura dem Kultus des Schiwa geweiht ist, sieht der Kenner aus der über dem Gopuradurchgang in einer Nische angebrachten, lang ausgestreckten Figur des Gottes Wischnu[WS 2] und an den hier ganz anders geformten Abzeichen auf den Stirnen der Gläubigen und der Elefanten. An diesen überaus wichtigen Stirnzeichen, deren Sinn zu begreifen viele der in Indien lebenden Europäer nicht einmal der Mühe für wert halten, kann man die Glaubensanschauungen der brahminischen Hindus erkennen und unterscheiden; dafern sie nicht zur untersten Kaste zählen; dann tragen sie solche Zeichen niemals, ebensowenig wie die mohammedanischen

Indier.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Srirangam/Seringham: vergleiche Srirangam
  2. WS: Wischnu: vergleiche Vishnu
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.7.2018)