Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/134

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ausbleiben, daß mir hin und wieder ein aufgebrachtes „Jesus, wo steckst du denn?“ oder ähnliche Kraftworte über die Lippen sprangen; in der Nähe des Äquators gerät europäisches Blut gar leicht in Wallung.

Wie stimmungsvolle Landschaftsbilder bietet bei solchen Bootfahrten der Übergang der kühlen Sternennacht zu dem rasch aufdämmernden farbenreichen Morgen! Gleich geisterhaften Schemen nahen und verschwinden die Schattenrisse nackter, zur Arbeit gehender Ackersleute in dem dichten Nebel, den die steigende Sonne mit sichtlicher Lust aufsaugt, bis die Äcker in strahlendem Lichte erglänzen; selbst aus weiter Ferne kann man dann die plumpen vorsintflutlichen Pflüge oder richtiger Haken erkennen, womit der Erdboden nur aufgerissen wird, die Schollen aber nicht umgelegt werden können. Die Reisfelder werden dabei, der Bewässerung wegen, möglichst terrassenförmig angelegt, denn von dem Grade der Bewässerung hängt der höchst ungleiche Ertrag dieser Felder ab, zwischen denen vereinzelte Gruppen von Palmyra-Palmen ihre malerischen Blattfächer ausbreiten, Gewächse, die für die Eingeborenen fast noch ergiebiger als die Kokos-Palmen sind, da sie ihnen, neben Zucker als Nahrungsmittel, Toddy und Arrak[WS 1] in reichen Mengen als Getränke verabreichen.

Zwei aus demselben Felsen herausgehauene Tempel übereinander.

Die Felsenstadt Mawilipuram ist zweifellos eine der wunderbarsten Stellen ganz Indiens; nirgends fällt auf den dunklen Ursprung des drawidischen Baustils und seiner Motive ein helleres Licht, und nirgends umfängt uns eindringlicher als hier der Abglanz einer Zeit, in der sich überquellende Schaffenskraft mit einem einfaltsvollen aber heißglühenden Volksglauben vereinte. Alle die auf weiter, sandiger Fläche zerstreuten, durchweg aus dem soliden Urgestein herausgemeißelten und

deshalb eigentlich nicht als Bauten zu bezeichnenden Felswerke

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Toddy und Arrak: vergleiche Arrak, siehe ferner Kapitel 1, Seite 15
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/134&oldid=- (Version vom 1.7.2018)