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stammen aus dem siebenten Jahrhundert, doch damals bewegte sich zwischen ihnen das Getümmel eines kräftigen, großen, opferfreudigen Volkes, während sie jetzt tot und verödet wie eine vergessene Welt dastehen, wo nur ekelhafte Reptilien von einem rauchgeschwärzten Schlupfwinkel zum anderen kriechen; ob dieser Rauch von darin angelegten Feuern zerstörungswütiger Mohammedaner, wie Aurungzeb[WS 1] ein solcher war, herrührt oder nur von Pilgerfeuern, die wärmen oder wilde Tiere verscheuchen sollten, kann heute niemand mehr sagen. Nur religiösen Zwecken geweiht, wurden diese Räume ursprünglich von buddhistischen, keineswegs von brahminischen Steinmetzen geschaffen und sind erst später, nachdem das gewaltige Brahminentum den reformierenden Buddhismus wieder aus Vorderindien verdrängt hatte, von den Siegern mit Basreliefs vielarmiger brahminischer Götterbilder und mit Lingam-Idolen[WS 2] besetzt worden. Im Gegensatz hierzu haben in den aus dem achten Jahrhundert stammenden Felsentempeln von Ellora[WS 3] alle drei indischen Kulte: der Brahminismus, der Buddhismus und Dschainismus[WS 4] der Nachwelt wohlerhaltene Denkmäler hinterlassen.

Dia aus den Felsen gehauenen „Sieben Pagoden“[WS 5] bei Madras.
Ratha der Draupadi, Ratha des Arjuna (oder Nakula) mit einem Löwen, Ratha des Bhima, davor eine Elefantenfigur, Rhata des Dharmaraja, davor Ratha des Sahveda.

Die Felsentempel von Mawilipuram; zwischen den Palmyrapalmen ein Lingam-Idol.

Der buddhistische Ursprung Mawilipurams verrät sich in den Relieffriesen, deren Motive fast durchweg die sonderbaren sargähnlichen Zellen buddhistischer Asketenmönche sind, und die sich über den Eingängen zu den tief in die Felsenberge hineingetriebenen Hallen sowie rings um die aus Granitblöcken herausgearbeiteten pyramidenförmigen oder um den Saum in die Länge gestreckter Tempel herumziehen. Dieser aus Stein gehauene, aber Holzschnitzerei nachahmende Zellenfries wurde einer der Ausgangspunkte drawidischer Bauweise, die bald eine Überladung mit figürlichem Schmuck annahm und dadurch

einen unerfreulich verworrenen Eindruck hervorbringt. Daß diese Bauart der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Aurungzeb: vergleiche Aurangzeb, regierte 1658-1707
  2. WS: Lingam: vergleiche Linga, auf die Lingam-Verehrung geht Boeck auf Seite 101 genauer ein.
  3. WS: Ellora: vergleiche Ellora-Höhlen
  4. WS: Dschainismus: vergleiche Jainismus
  5. WS: Sieben Pagoden: vergleiche Fünf Rathas. Zu den Figuren/Gottheiten ebenfalls dort.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/137&oldid=- (Version vom 1.7.2018)