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Hindus jederzeit die Mittel vor Augen führen sollen, denen die gegenwärtigen Herren der indischen Lande ihre Macht und ihren Reichtum verdanken. Zierlicher und intimer als die öffentliche Audienzhalle wirkt aber ein anderer inmitten eines Rosengartens ebenfalls aus Marmor erbauter Pavillon, der für Besuche von Fürstlichkeiten oder anderen Personen von Rang bestimmt war und Diwan-I-Khas, privates Audienz-Gemach, hieß. Ein Blick vom Söller dieser Halle an einem Sommerabend oder noch besser in stiller, linder Nacht hinaus in die weite indische Ebene, zumal wenn der Mond darüber steht und seinen Silberglanz über den Strom und den sich dahinter erhebenden Tadsch ausbreitet, gehört zu jenen zarten, delikaten Genüssen, die alle Mühen einer Indienreise vergessen lassen. Vergnügungsreisende besuchen übrigens Indien grundsätzlich nur in der kühlsten Jahreszeit, in deren frühen Morgen- und Abendstunden das Klima entzückend und auch tagsüber nicht wärmer ist als in manchem Sommer in Deutschland; mit Recht darf man erst über Hitze jammern, wenn man einen indischen Hundstagssommer auf seiner Höhe kosten mußte, und ebenso kann nur der sagen, er kenne Indien gründlich, der aus eigener Erfahrung die indische Regenzeit kennt.

Die Privat-Audienzhalle in Agra.

Neben den Mausoleen, Moscheen, Palästen und sonstigen Marmorbauten Agras verdient aber die etwa 35 Kilometer westlich von Agra in den Bergen liegende Sommerfrische und Nebenresidenz des gütigen, gerechten und gelehrten, schließlich aber sich selbst als Verkörperung des Sonnenbegriffs vergötternden Kaisers Akbar unbedingt ebenfalls einen Besuch, wäre es auch nur, um hier in Futti Pur Sikri zwar eine ähnliche, aber nicht in Marmor, sondern in feinkörnigem roten Sandstein ins Dasein getretene Kunstvollendung zu finden, die jedoch neben gigantischer Kraft und tiefernster Bedeutung zugleich nach dem Zierlich-Gefälligen in den Einzelheiten strebt; das Pantsch Mahal,[WS 1]ein luftiger Sommerpalast, dessen fünf Stockwerke fünf entscheidende kaiserliche Siege verherrlichen, zeigt diese mohammedanische Bauweise am schönsten.

Wenn von den Plätzen die Rede ist, an denen einst mohammedanische Erobererpracht zur glänzendsten Entfaltung gelangte, pflegt in einem Atem mit Agra der Name Delhi genannt zu werden. Auch in Delhi hielten die Moguls inmitten ihrer Palastgärten pomphafte Audienztage ab, doch auch in

den dafür bestimmten Hallen erinnern nur noch köstlich ausgearbeitete Pfeiler

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Pantsch Mahal in Futti Pur Sikri: vergleiche Panch Mahal in Fatehpur Sikri
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/203&oldid=- (Version vom 1.7.2018)