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in allen Weltteilen unter deutscher oder schweizerischer Gasthofsleitung stets am besten aufgehoben ist. Deshalb gestatte ich mir, den freundlichen Leser zu seiner Erquickung nach dem ebenfalls von einem deutschen Küchenmeister beherrschten Hotel Mount Lavinia zu geleiten, das noch etwa vierzehn Kilometer südlicher liegt und wo ich in den Jahren 1890, 93 und 98 manchen guten Bissen gekaut habe. Die längs des Strandes unter Palmen dorthin rasselnde Eisenbahn vermeiden wir jedoch zunächst, denn solche Eile wäre ein wahrer Frevel beim ersten Eintritt in die Tropenwelt, wo die Natur behaglichen Daseinsgenuß verlangt und wo selbst die als Laster verschrieene Faulheit der Orientalen als weises Zugeständnis an ihre Heimat erscheint, die übermäßiges Hasten am Menschen zu rächen versteht.

Seesoldat im Dschinrickscho; vor ihm kauert ein kleiner Sinhalesenknabe.

Der Neuheit halber sollten wir ein Rickscho-Wägelchen[WS 1] nehmen, doch da müßte jeder ganz allein für sich fahren, und unsere Unterhaltung käme ins Stocken. Kaum vermögen wir die zahllosen Führer derartiger Wagen abzuwehren, die uns ihre zweirädrigen Fuhrwerke anbieten, deren Zugtier sie zugleich sind. Vor dem Hotel und in den benachbarten, mit großstädtischen Kaufhäusern ausgestatteten Straßen verfolgen sie uns auf Schritt und Tritt, wohl wissend, daß kein neuer Ankömmling, kein Reisender, selbst kein Schiffsjunge versäumt, sich in einem derartigen Dschinrickscho spazieren fahren zu lassen. Wie fühlt sich ein Seesoldat geschmeichelt, wenn er, anstatt sich an Bord schurigeln zu lassen, nun selbst den großen Herrn spielen und dem in der Gabeldeichsel einhertrabenden Zugmenschen mit dem Spazierstock nach Gefallen bald rechts, bald links auf die nackten, schweißtriefenden Schultern hauen darf, worauf der arme braune Kerl sogleich keuchend nach der betreffenden Richtung umlenkt. Doch man gebe wohl acht! Das zweibeinige Droschkenpferd ist so sehr an fortwährende Lenkung gewöhnt, daß es wenig hilft, ihm eine Adresse anzugeben; sobald man sitzt, hebt der Mann die Deichsel hoch und rennt dann, wie von den Furien gejagt, drauf los, immer schnurstracks geradeaus, ohne abzusetzen oder umzubiegen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Rickscho, Dschinricksho: vergleiche Rikscha (aus dem japanischen jinrikisha)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/22&oldid=- (Version vom 16.7.2018)