Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/220

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

geängstigten Frauen und Kinder furchtbar gewesen sein müssen, und an den unermüdlich tapferen Widerstand der Verteidiger unter Sir Lawrence erinnert, ein Widerstand, der in solchen Fällen freilich nie ganz allein dem militärischen Pflichtgefühl, sondern eben so sehr dem Selbsterhaltungstrieb auf Rechnung zu setzen ist; andererseits gibt es keinen unberechtigteren Erfolg der englischen Realpolitik und keine grundlosere, gesetzwidrigere Annektierung als eben die des Königreichs Audh, die in der Brust vaterlandsliebender Indier einen Grimm ohnegleichen erwecken und die schon lange schlummernden Empörungs- und Rachegedanken zum Ausbruch treiben mußte.

Hof der Imambara-Moschee in Laknau.[WS 1]


Wird man so von widerstreitenden Empfindungen gequält, wenn man die letzte Ursache alles hier in entsetzlichen Greueltaten vergossenen Blutes und die Verherrlichung der erfolgreichen gegenwärtigen Herren des Landes erwägt, so enttäuscht andererseits auch die fabelhafte Pracht und Ausdehnung der Bauten, die in Laknau zunächst das Auge fast blenden. Namentlich wenn man aus Agra und Delhi an diesen Sitz mohammedanischer Herrschergewalt kommt, vermißt man bald die dort für Kultus- und Palastbauten verwendeten edlen Stoffe, den mit kostbaren Steinen eingelegten Marmor und feinkörnigen roten Sandstein, an deren Stelle hier getünchtes und reich mit Stuck verziertes Mauerwerk getreten ist. Statt vornehmer Würde und gediegener Einfachheit spricht hier aus den meisten baulichen Erscheinungen eine ungesunde, auf Augenverblendung gerichtete Effekthascherei und Sucht zu glänzen. Eine geradezu beispiellose Platzverschwendung hat namentlich bei der Anlage einer als Kaiser-Bagh oder Kaiser-Garten zusammengefaßten Gruppe von Schlössern und Gebäuden gewaltet, aber noch viel befremdlicher ist der seltsame Baustil, der dabei aus der Mischung italienischer, indischer, maurischer und chinesischer Motive zu Tage trat. Freilich hat sich Wadschid Ali Schah[WS 2] nicht lange des

Besitzes dieses erst 1850 mit einem Kostenaufwande von 15 Millionen Mark

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Imambara-Moschee: vergleiche Bara Imambara (en)
  2. WS: Wadschid Ali Schah: vergleiche Wajid Ali Shah (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/220&oldid=- (Version vom 3.4.2019)