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Und nun wollte es die Laune des Schicksals, daß ich auf einer kleinen Spazierfahrt, die ich noch kurz vor Tisch unternahm, bei einer Lingam-Opferstätte unter einem heiligen Bo-Baum eine Volksmenge wahrnahm, die sich um einen hölzernen Karren drängte. Ich sprang aus meinem Wagen und schleunigst wichen, wohl weniger aus Respekt als aus Scheu vor der Berührung mit einem Europäer, die Menschenmauern vor mir zurück, so daß ich bequem die Mißgeburt auf dem Karren nicht nur sehen, sondern auch photographieren konnte; es war ein Kalb, dem am Rückenende noch zwei verkrüppelte Extrabeinchen herunterhingen. Damit hatte ich also glücklich auch noch das Einzige ergattert, was mir bisher zum Geschäftserfolge gefehlt hatte: Ein echtes Kalb mit sechs Beinen!

Das Wunderkalb mit den sechs Beinen.

Am Abend dieses Tages, der meine dritte Reise nach Ostindien abschloß, da ich am nächsten Morgen unmittelbar nach Bombay und von dort in die Heimat fuhr, besaß ich nur noch eine einzige unbelichtete Trockenplatte. Meine beiden Diener, die für Instandhaltung der Küche und der Kleider sorgten, hatte ich wiederholt vergebens gebeten, mir zu einem Bilde zu sitzen. Sie waren mohammedanische Hindus, und der Prophet hat ja verboten, das menschliche Gesicht abbilden zu lassen; wären sie brahminisch gewesen, hätten sie vielleicht aus Furcht, daß ihnen durch das Photographiertwerden mit dem

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/245&oldid=- (Version vom 1.7.2018)