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mittelst Luftballon oder Zweirad?“ „Nein, die gehen natürlich zu Fuß.“ „Nun, sehen Sie, dann werde auch ich gehen! Katmandu ist nur etwa hundert englische Meilen von hier, und ich freue mich nach den langen See- und Bahnfahrten auf ein paar stramme Märsche. Geben Sie mir etwa fünfzehn zuverlässige Kulis, mehr brauche ich nicht“ „Glauben Sie mir, Sahib, Sie können diesen Weg nicht zu Fuß machen! Und Ihr Koch und Ihr Diener, wie sollen denn die fortkommen?“

Koch und Diener, damit hatte der gute Mann zwei große Worte sehr gelassen ausgesprochen! Allerdings hatten sich mir, wie jedem in Indien Anlangenden, in Kalkutta auch diesmal ganze Dutzende von verschmitzten Hindus, zumeist mohammedanische, genähert, und dicke Bündel auf den Bazaren zusammengeborgter unsauberer Zeugnisse vorgewiesen, die einstimmig bescheinigten, daß der pp. Ali Baba oder Mohammed ein Ausbund von Treu und Redlichkeit, kurz eine wahre Perle von Dienstboten sei. Ich war ja auch gern bereit, in den verführerischen Apfel zu beißen, Koch und Diener zu mieten und zu vergessen, was mir auf früheren Reisen von ihren Herren Amtsbrüdern alles angetan worden war. Ich meine nicht etwa das Verschwinden von Wertobjekten und zwar ohne alle Apparate, denn das soll auch bei Leuten mit weißer Haut und noch weißerer Plättwäsche manchmal vorkommen, sondern daß sie in Geschmacksachen nicht immer ganz einig mit mir gewesen waren. Ich gebe ja zu, daß auch ein gegen den Strich gebürsteter Zylinderhut ganz mollig und fast so drollig wie eine junge Katze aussieht — es braucht das aber nicht gerade der meinige zu sein; wenn ich meinem Diener auftrug, einen kleinen Riß im Bratenrock zuzunähen, so meinte ich damit doch nicht, einen helleren Flicken darauf zu pflastern, und wenn ich einen Strumpf gestopft haben wollte, so erwartete ich allerdings nicht, ihn als zugezogenen Beutel zurückzubekommen. Und die Köche hatten auch allerlei Eigenheiten, über die ich hier nicht weiter reden will; vielleicht gibt es Leute, die ein Kotelett für nahrhaft halten, das in den Sand gefallen ist, und auf ihren Tellern frische Ölgemälde lieben, die von dem Abstäubetuch herrühren, oder denen es Spaß macht, zu sehen, wie ihre Hühner bei lebendigem Leibe gerupft werden.

Als ich nun bei meiner diesmaligen Einkehr im Grand Oriental Hotel in Kalkutta von derartigen hoffnungsvollen Dieneraspiranten belagert wurde und ihnen als mein Reiseziel Nepal nannte, da verlängerten sich, ja, da ergrauten förmlich ihre bräunlichen Gesichter. Dem einen, einem ehrwürdigen, aber bereits etwas zittrigen Greise, der ein vorzüglicher Koch zu sein behauptete, fiel urplötzlich ein, daß eben sein Großvater gestorben sei, sein Kollege, ein allerliebstes Bürschchen von höchstens 18 Jahren, erinnerte sich eben so schnell, daß seine kleine Frau pockenkrank zu Hause läge und seiner dringend bedürfe, und nur wenige waren ehrlich; genug, einzugestehen, daß sie bislang von Nepal noch nicht viel Gutes gehört und gar keine Lust hätten, mir in ein Land zu folgen, wo nichts als himmelhohe Schneeberge, wilde Tiere und grausame Menschen zu finden seien. Damit schlugen sie sich seitwärts in die Büsche,

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/290&oldid=- (Version vom 1.7.2018)