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Flußbettes klang er herauf und zeigte, über welchen unerschöpflichen Herzensfrohsinn diese des Tages über so geplagten Kinder Nepals verfügen, trotzdem sie, oder vielleicht gerade weil sie von der übrigen Welt nichts wissen und nichts wissen wollen.

Tragstuhl für den Verfasser; rechts davon Schikar mit Jagdfalken auf der Faust.

In Bhimpedi, am Fuße des Gebirges, geht die Fahrstraße in einen Bergpfad über; deshalb müssen alle Karrenladungen auf die Rücken von Kulis übergepackt werden, selbst wenn deren hundert zur Bewältigung eines einzigen Laststückes erforderlich sind, und deshalb herrscht in diesem Orte auch ohne Jagdversammlung während des ganzen Winters ein reges Leben. Durch die Anwesenheit der Treiber artete dasselbe aber zu solchem Tumult aus, daß ich hier unmöglich die nötige Nachtruhe gefunden hätte. Ich suchte deshalb einen der für mich bereit gehaltenen Tragstühle auf, lohnte die bisherigen Kulis ab und ließ die Kahars unter dem Versprechen eines fürstlichen Backschischs noch in dunkler Mitternacht den Marsch zu dem hoch über Bhimvedi liegenden Sperrfort Sissagari[WS 1] antreten. Nach dem schwülen, gewitterdrohenden Tage und dem ganz ungemein angreifenden Marsch durch die dunstigen Teraiwälder war es ein wahrer Genuß für mich, als ein Dutzend kräftiger Kahars die Stangen, an denen mein Tragstuhl hing, packten, auf ihre Schultern schoben und dann sofort den dicht hinter dem Ort lächerlich steil emporführenden Pfad hinaufzuklettern begannen. Schon nach wenigen Minuten sah ich die Bauernhäuser, die staubigen Straßen, bald auch die amphitheatralisch übereinander liegenden Wachtfeuer zu meinen Füßen. Das Singen, Musizieren und Händeklatschen wurde immer schwächer, das Licht der Sterne über mir immer reiner, die Luft stetig kühler und ätherischer, so daß ich mir bei dem höchst merkwürdigen Gefühl dieses Schnellemporgehobenwerdens mit einiger Phantasie ganz gut einbilden konnte, wie Margarete in der Oper gleichen Namens[WS 2] auf Engelsfittichen in den offenen Himmel zu schweben.

Erlaubnisschein für den Verfasser zum Aufenthalt in Nepal. 1/1.

Die Kahars machten ihre Sache ganz vorzüglich. Die ganze Trägermasse glich einem einzigen Körper mit 24 Armen und Beinen, deren Füße auch im Dunkeln jeden Stein des unerhörten Weges zu kennen und zu fühlen schienen.

Wäre freilich dieser Menschenknäuel ins Fallen oder Rutschen gekommen, so

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Sissagari: nicht eindeutig identifizierbar, von anderen zeitgenössichen Reisenden als „Pass“ bezeichnet.
  2. WS: Margarete: vergleiche Faust (Gounod)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/305&oldid=- (Version vom 5.7.2018)