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den Strapazen der Märsche wesentlich angenehmer, als den holprigen Weg auf eigenen Füßen hinunterzustolpern. Schon nach zwei Stunden war die Talsohle erreicht. Die steilen Uferhügel, zwischen denen sich der Markufluß[WS 1] hindurchschlängelt, sind terrassenförmig bearbeitet, so daß man sich an die Rebengestade der Mosel versetzt wähnen könnte. Die Erdschollen können jedoch wegen des bergigen Geländes nicht mit Pflügen bearbeitet, sondern nur mit wuchtigen Handhacken aufgerissen werden. Aber statt der Trauben mit erheiternd säuerlichem Saft reift den fleißigen Landleuten auf diesen Terrassen der Reis, der den Nepalern nicht nur das tägliche Brot, sondern auch zur Befriedigung des Durstes nach Getränken, die nicht so entsetzlich viel Feuchtigkeit wie das Wasser enthalten, einen Labetrunk, das Rakschidestillat, liefert. In jedem Haushalt findet man aus Holz gedrehte Krüge mit diesem Elixir.

Hacke der Feldbearbetter in Nepal. 1/17.

Dieses Tal von Klein-Nepal, durch das bislang jeder der spärlichen europäischen Besucher Nepals seinen Weg nach der Landeshauptstadt zu nehmen hatte, macht durch sein Gemisch von Wildheit und sorgfältigem Anbau einen ganz wunderlichen Eindruck. Bald befindet man sich in einer geröllreichen Felsschlucht und wenige Minuten später in einer lachenden, fruchtbaren Landschaft voll appetitlicher, ockerfarbiger Häuser mit Reisstrohdächern, die man aber am besten nur von außen betrachtet, weil sich Hühner und Schweinchen als völlig zur Familie gehörig betrachten und sich ebensowenig wie die Familienmitglieder hinsichtlich der Sauberkeit in Haus und Hof irgendwelchen Zwang auferlegen. Aber, wie gesagt, der äußere Eindruck der Häuser ist sehr gefällig, und die massenhaft ringsum aufgestapelten Maiskolben erwecken den Eindruck der Wohlhabenheit. Dies Brücken führen in beträchtlicher Höhe über den Fluß, der während der Regenzeit wesentlich anschwillt; zur Zeit waren zahlreiche Schnüre von den Felsen des einen Ufers zu denen des anderen gespannt, an die Büschel orangefarbiger Blumen und kleine Gebetsfähnchen angeknüpft waren. Es sollte damit sowohl dem erwartenden, auf die Jagd im Terai ziehenden Maharadschah wie den Geistern des verderblichen Flusses eine Huldigung dargebracht werden, die das Landschaftsbild munter belebte.

Holzkrug für Reiswein. 1/10.

In Marku, dem größten Ort des Tales, den ich fünf Stunden nach dem Verlassen der Sissagaripaßhöhe erreichte, pflegt ein reger Verkehr von Bauernburschen zu herrschen, da hier ein Werber alle jungen Gorkhas versammelt, die Lust haben, in das englisch-indische Heer einzutreten. Nach Ablauf ihrer Dienstzeit wirken sie in ihrer nepalischen Heimat als Armee-Instruktoren, wofür sie keinen Sold, sondern nur wesentlich erleichterte

Pachtbedingungen für ihr Ackerland erhalten, ein Verfahren, bei dem Nepal

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Markufluß: das ist der Kulekhani: das Dorf Markhu (en) liegt direkt an der heutigen Talsperre Kulekhani.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/311&oldid=- (Version vom 1.7.2018)