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d. h. ein Feldwebel der englisch-indischen Sikhtruppen, zur Verfügung gestellt, von denen der englische Gesandte eine Kompagnie zur Bewachung seiner Residenz in Nepal um sich haben darf, die, wie alle anderen englisch-indischen Truppen in Indien, sowohl britische wie eingeborene, in ihren Kasernen mit Soldatenfrauen zu hausen pflegen.

Diese Aufmerksamkeit glich nun freilich einer argwöhnischen Überwachung wie ein Ei dem anderen, und es schien, als ob beide Teile, die Nepaler wie die Engländer, hinter meinem Besuche des Landes doch noch irgend eine geheime oder gefährliche Nebenabsicht witterten. Jedenfalls konnte mir gar nichts lästiger sein als eine solche beständige und auffällige Eskorte, da ich das Land und seine Bewohner gern möglichst zwanglos besucht und beobachtet hätte; auch sagte ich mir, daß eine derartige Bewachung ganz besonders bei meinen photographischen Aufnahmen hinderlich sein müsse, erschrak aber bei dieser Erwägung in der Einnerung daran, daß das Photographieren in Nepal für mich ja bereits zu den verbotenen Früchten gehörte.

Angesichts so vieler Beschränkungen hielt ich es für das beste, mit dem derzeitigen Staatslenker, einem Bruder des Maharadschah, persönlich zu sprechen und bat um eine Audienz, die mir auch schon für den folgenden Tag gewährt wurde; ein Adjutant holte mich dazu in einer Hofkalesche ab.

Die Fahrt ging nach Tallapatti,[WS 1] wo sich ausgedehnte, befestigte Palastgebäude in europäischer Bauart befinden. Dort wartete der stellvertretende Premierminister, der Höchstkommandierende der nepalischen Armee namens Deb Schumscher Dschung,[WS 2] nebst einer Kompagnie Gorkhas in einem inneren Schloßhofe auf mein Erscheinen, das er durch Trommelwirbel und Fahnensenken begrüßen ließ, eine Ehre, die ich als nicht offizieller Besucher des Landes weder beanspruchen noch erwarten durfte. Hierauf stellte mich Seine Exzellenz einigen Generalen, seinen nächsten Verwandten, vor und führte mich dann in einen Gartensaal, in dem ein Springbrunnen inmitten eines Wasserbeckens plätscherte; zahlreiche Spiegel, reiche Vergoldungen, europäische Sofas und Lehnsessel und im Hintergrunde ein verhülltes Gestell, das ein Thron oder Himmelbett sein konnte, ließen mich ganz vergessen, daß ich hier im Herzen des halb barbarischen Staates Nepal verweilte.

Deb Schumscher Dschung, Rana Bahadur,
Generalkommandeur der nepalischen Armee. Die Kopfbedeckung besteht aus Edelsteinen und Perlen.

Ich hielt mich nicht an die in Asien landesübliche Form, der zufolge man bei einem solchen ersten Besuche über alles mögliche andere als über den eigentlichen Zweck desselben zu sprechen pflegt, sondern jammerte frisch drauf los, nachdem ich mich für die gewährte Erlaubnis bedankt hatte; ich erklärte, daß die mir gnädigst erteilte Erlaubnis, Nepal zu besuchen, mir nur wenig

Freude machen würde, wenn ich nicht dabei auch nach Herzenslust photographieren dürfte, und erbat auch dafür die Genehmigung des Regenten. Statt einer Antwort fragte Seine Exzellenz, ein behäbiger kleiner Herr von etwa dreißig Jahren mit indischer, aber ein wenig mongolisch angehauchter Gesichtsbildung, etwas vorspringenden Wangenknochen, mit einem Kneifer auf dem eingedrückten Näschen und mit einem zarten, schwarzen Schnurr- und Knebelbärtchen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Tallapatti: gemeint ist Thapathali Durbar (en)
  2. WS: Deb Schumscher Dschung: vergleiche Dev Shumsher Jung Bahadur Rana (regierte 1901)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/323&oldid=- (Version vom 1.7.2018)