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überdies durch dicke Massen üppiger Schmarotzer-, Schling- und Kletter-Gewächse eingehüllten und deshalb oft gar nicht kenntlichen Bäume anzuführen, die ich doch nur botanischen Werken entlehnen müßte. Diese üppigen, vor ihrer Trockenlegung fast undurchdringlichen und tödliche Sumpffieber erzeugenden Waldbezirke sprechen eindringlich von der Unzahl von Menschenleben, die diesem Bahnbau, besonders in dem dunstigen, dampfenden „Tale der Todesschatten“ zum Opfer fielen, und furchtbar müssen die Kämpfe gewesen sein, die sich auf diesem gifthauchenden Boden zwischen den tapferen Bergbewohnern und den von der Küste her andringenden beutegierigen Fremden abgespielt haben. Wehe den Fremdlingen, die in die Hände der Eingeborenen fielen; von dem überhängenden, fast stets in dicke Wolken verhüllten Gipfel des in der Ferne auftauchenden, am jähesten von all den kühnen Bergen abfallenden Alegalla[WS 1] wurden die Kriegsgefangenen hinuntergeschmettert in unabsehbare Tiefen!

Bald hinter Kandi steigen wir aus, bevor noch der Zug völlig die oberste Stufe des Hochlandes erreicht hat, auf dem die Engländer in Newara Elija, gesprochen Njurellja,[WS 2] eine herrliche, ganz an ihre Heimat erinnernde Sommerfrische angelegt haben, und wo die Moore, Grasfluren und Haine einen wahrhaft verblüffenden Gegensatz zu den Tropenlandschaften der Küste bilden. Meine von hier aus unternommene Besteigung des höchsten Gipfels der Insel Ceylon, des 2575 Meter hohen Peduru Talegalla[WS 3], brauche ich wohl nicht zu schildern, da dieser Spaziergang oft genug von anderen gemacht und haarklein beschrieben worden ist.

Auf der Pflanzung finden wir die Arbeiterinnen gerade mit dem Einsammeln reifer Kaffeebeeren beschäftigt. Beim ersten Blick erkennen wir an dem lose über die eine Schulter geschlungenen Streifen dünnen Gewandstoffes und an den durchlochten, geschmückten Ohrrändern, daß dies keine Sinhalesinnen, sondern Tamulinnen[WS 4] sind, wie sie jedes Jahr in Massen vom südindischen Festlande nach Ceylon herüberkommen, um hier einige Jahre bei höherem Tagelohn als daheim zu arbeiten; sie machen sich aber nur selten auf der Insel seßhaft, da ihnen die Sinhalesen wenig Gegenliebe zuwenden und Vermählungen mit ihnen aus dem Wege gehen. Das Verhältnis in der etwa drei Millionen zählenden buntfarbigen Bevölkerung Ceylons bleibt deshalb nach wie vor ungefähr dasselbe, d. h. es kommen auf je einen Europäer: 2 Malaien, 3½ Mischlinge von Europäern und Asiaten, 40 Nachkommen der Araber, 140 Tamulen und 400 Sinhalesen. Die Anzahl der noch auf der Insel lebenden Ureinwohner, der Weddas, ist etwa halb so groß wie die der Europäer. Begreiflicherweise haßt der durch sein fruchtbares Land und sein belebendes, gemäßigtes Klima verwöhnte Sinhalese, der nur gerade so viel arbeitet, wie durchaus nötig ist, den Tamulen, dem der Gegensatz der von der Meerbrise

gekühlten Insel Ceylon und der unerträglichen Tropenhitze seiner Heimat das Arbeiten hier zu einer wahren Lust macht; dazu kommt noch, daß er hier etwa fünfzig Pfennige Tagelohn, in Südindien hingegen kaum die Hälfte davon

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Alegalla: vergleiche Alagalla Mountain Range
  2. WS: Neware Elija: vergleiche Nuwara Eliya
  3. WS: Peduru Talegalla: vergleiche Pidurutalagala
  4. WS: Tamule, tamulisch: vergleiche Tamilen
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/40&oldid=- (Version vom 1.7.2018)