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ist. So war ich selbst einmal auf Ceylon an einem Weihnachtsabend in einer prachtvoll illuminierten portugiesischen Kirche zugegen, wo die Verkündigung „Christus ist geboren!“ durch unaufhörliches Geknatter von Kanonenschlägen nebst reichlichem Salonfeuerwerk in der Nähe des Altars eindrucksvoll betont wurde.

Getaufte Sinhalesen der besseren Klassen sehen bei solchen festlichen Gelegenheiten für unseren Geschmack etwas putzig aus, weil sie gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen suchen: sie behalten zwar den bunten Lendenschurz und den seltsamen Kamm der Sinhalesen bei, ziehen jedoch eine europäische Jacke dazu an und stülpen einen steifen schwarzen Filzhut auf die kammgekrönte Frisur; ein Brautvater steckt sogar zwei überaus kostbare Kämme aus den Flossen einer auf Malakka heimischen Landschildkrötenart ins Haar, falls er, wie der am Beginn dieses Kapitels dargestellte, zu den vornehmen Sinhalesen zählt.

Neben den Sendboten aller erdenklichen Missionsgesellschaften durchziehen auch die nirgends in der Welt fehlenden bekehrungseifrigen weiblichen Offiziere und Soldaten der Heilsarmee die paradiesische Insel. Und fürwahr, wenn man den maßlosen Schnapsverbrauch bemerkt, der auf Ceylon im Schwange ist, und wenn man von dem Unheil hört, das die wohl gutmütig, aber keineswegs sanftmütig zu nennenden Sinhalesen in jähzorniger Trunkenheit mit ihren schnell kampfbereit gezückten Messern anstiften, dann kann man nur wünschen, daß die Bußpredigten dieser Leute, ebenso wie die den Kindern in den Schulen beigebrachten Belehrungen etwas mehr Mäßigkeit und Selbstbeherrschung in dies seltsame Völkchen tragen mögen, das die herrliche Insel Ceylon bewohnt. Wie mit Elementargewalt bricht sich auch oft genug der Haß gegen die das leichtlebige Volk in unerhörter Weise ausnutzenden Wucherer Bahn, die zwar meist afghanische aber insgesamt „Araber“ genannte Mohammedaner sind; der berüchtigteste Blutsauger dieser Art namens Ismael in Mahala wurde noch vor einem Jahrzehnt von acht Schuldnern unter beständiger Bedrohung mit geladenen Flinten an einem langen um einen Baum gewickelten Seile buchstäblich zu Tode gehetzt, während seine acht Mörder bei ihrer Hinrichtung von den anderen Sinhalesen gleich Märtyrern verehrt wurden.

Maske eines Dämonenbeschwörers. 1/6.

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.7.2018)