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Tragische Konflikte in jedem Falle. Aber ich erwähne diese Eventualität nur als den akademischen Fall einer möglichen Versuchung, die wir mit Rücksicht auf die unsere Fortexistenz bedrohende geographische Lage ohne Rücksicht auf die armen Elsässer, ablehnen würden.

Es bleiben noch die von vielen erhofften religiösen und sozialen Interessen am Siege zu erörtern. Unsere deutschschweizerischen Katholiken erhoffen vom deutschen, die welschschweizerischen vom französischen eine Stärkung des religiösen Lebens. Meiner Ueberzeugung nach täuschen sich beide. „Res est imperiosa timor.“ Die Beichten in der Todesfurcht werden durch andere Erscheinungen in den Schützengräben, von denen mir Aerzte aus beiden Lagern berichten, aufgehoben; sie allein als bleibende Beweise für die Erweckung des religiösen Lebens zu deuten, zeugt von geringer Psychologie. Die religiösen Ansprachen des deutschen Kaisers darf man jedenfalls nicht für den Katholizismus vorwegnehmen. Er ist und bleibt das Oberhaupt der evangelischen Kirche, und wenn es ihn freut, sich von psallierenden Mönchen prozessionsweise in die alte romanische Klosterkirche von Maria-Laach geleiten zu lassen, so entspringt das seinem romantischen Bedürfnis, sich als Hohenstaufen-Nachfolger zu geben. Könnte es ohne Gefährdung seiner evangelischen Konfession geschehen, würde er sich gewiß auch vom Papste mit der Krone Karls des Großen schmücken lassen. Aber diese romantischen Neigungen als Kryptokatholizismus zu deuten, ist kindlich.

Glaubt anderseits ein Vernünftiger, daß bei einem französischen Siege die gefestigte Regierung ihren Kurs ändern wird? Kann? Beim französischen Charakter würde erfahrungsgemäß Kurswechsel maßlose Reaktion bedeuten, die sich auch auf die Staatsform ausdehnen wollte.

Will man nach den historischen Vorbildern urteilen, so darf man gegenteils prophezeien, daß je das

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Robert Durrer: Kriegsbetrachtungen. Rascher & Cie., Zürich 1915, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)