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Kreuzesbotschaft

Kameraden, später für die Armen des Hospitals. Er widmet sich nach so vielen mißglückten Versuchen in andern Berufen dem schweren Krankendienst und harrt mit ganzer Hingabe darin aus. Nach der Aussage seines Bruders Francisco war es ein Pockenlazarett, in dem er zu pflegen hatte (al hospital de las bubas)[1]. Es ist aber auch die Vermutung ausgesprochen worden, daß in diesem Haus syphilitische Kranke untergebracht waren[2]. Ob dies zutrifft oder nicht – sicher hat der Knabe bei seinen Patienten nicht nur körperliche Krankheit, sondern auch seelisches und sittliches Elend kennen gelernt, und die treue Pflichterfüllung wird von dem reinen, tief und zart empfindenden Herzen oft schmerzlichste Überwindung gefordert haben. Was gab ihm die Kraft dazu? Gewiß nichts anderes als die Liebe zum Gekreuzigten, dem er nachfolgen wollte auf seinem harten, steilen und engen Wege. Der Wunsch, Ihn näher kennen zu lernen und sich noch besser nach Seinem Bilde zu formen, hat Johannes wohl dazu bestimmt, neben dem Krankendienst das Studium im Kolleg der Jesuiten aufzunehmen als Vorbereitung auf den Priesterberuf. Um besser der Kreuzesbotschaft lauschen zu können, wird er das Angebot der einträglichen Kaplanstelle an seinem Hospital ausgeschlagen und dafür die Armut des Ordens erwählt haben[3]. Derselbe Wunsch ließ ihn bei der gemilderten Observanz der damaligen Karmeliten keine Ruhe finden und führte ihn der Reform zu.


§ 2. DIE BOTSCHAFT DER HEILIGEN SCHRIFT

Vielleicht ist schon der Jesuitenzögling zur Beschäftigung mit der Heiligen Schrift angeleitet worden. Auch früher bereits sind ihm sicher in Predigt, Unterricht und Liturgie die Worte des Herrn – und darunter die Worte vom Kreuz – entgegengetreten. Bei den Karmeliten gehörte die tägliche Unterweisung in der Heiligen Schrift zur Tagesordnung. Als dann der junge Ordensmann zum Studium nach Salamanca geschickt wurde, bildete das Eindringen in die hl. Texte unter der Leitung geschulter Exegeten einen wesentlichen Teil seiner Pflichtarbeit. Aus späterer Zeit wissen wir, daß er ganz in und mit der Heiligen Schrift gelebt hat. Sie gehörte zu den wenigen Büchern, die er immer in seiner Zelle hatte. Aus seinen eigenen Werken


  1. P. Bruno a. a. O. S. 10 u. 377.
  2. Vgl. J. Baruzi, St Jean de la Croix et le Problème de l’Expérience Mystique, Paris 1931, S. 77 f.
  3. a. a. O. S. 91.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/010&oldid=- (Version vom 31.7.2018)