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Kreuzesbotschaft

Als Johannes diesen Wunsch aussprach, waren seine Lebensverhältnisse so, daß sich die Erfüllung schon aus natürlichen Bedingungen leicht ergeben konnte. An der Spitze des reformierten Karmels stand als Provinzial Nikolas Doria, der Heißsporn und Eiferer, der Teresias Werk nach seinen Ideen umformen wollte. Johannes verteidigte mit Entschiedenheit das Erbe der hl. Mutter und die Opfer des Fanatismus: P. Hieronymus Gratian und die Karmelitinnen. Am 30. Mai 1591 wurde das Kapitel der Unbeschuhten in Madrid eröffnet. Vor der Abreise dorthin verabschiedete sich der Heilige von den Karmelitinnen von Segovia. Die Priorin, Maria von der Menschwerdung, rief lebhaft erregt: „Vater, wer weiß, ob Euer Hochwürden nicht als Provinzial dieser Provinz daraus hervorgehen werden“. „Man wird mich in die Ecke werfen wie einen alten Lappen, wie einen alten Küchenlumpen“, war die Antwort. Und so geschah es in der Tat. Er erhielt kein Amt mehr und wurde in die Einsamkeit von la Peñuela geschickt. Dorthin folgten ihm Berichte über Bedrängnisse der Karmelitinnen. Man verhörte sie, um Material gegen Johannes zusammenzutragen. Man suchte Gründe, um ihn aus dem Orden auszustoßen. Nicht lange danach zwingt ihn die letzte Krankheit, la Peñuela zu verlassen, wo keine ärztliche Hilfe zu haben ist. So gelangt er an die letzte Station seines Kreuzwegs: Ubeda. Bedeckt mit eiternden Wunden, findet er hier im Prior, P. Francisco Crysostomo, einen erbitterten Gegner, der seinem Verlangen nach entwürdigender Behandlung vollauf Genüge tut. Die Höhe von Golgotha ist erreicht.


§ 5. DIE BOTSCHAFT DES KREUZES

Es ist noch ein drittes Zeugnis dafür vorhanden, daß Johannes von Kreuzbildern ungewöhnliche Einwirkungen empfing[1]. Und wahrscheinlich ist es noch viel öfter geschehen, als es uns bezeugt ist. Wir fassen alle diese Einwirkungen als Botschaften auf, die zum Tragen des Kreuzes ermunterten und darauf vorbereiteten. Doch auch


  1. Vgl. P. Bruno, St Jean, S. 329.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/020&oldid=- (Version vom 31.7.2018)