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Inhalt der Kreuzesbotschaft

Dingen große Erleichterung und Süßigkeit finden“. „Erst wenn die Seele in tiefster Erniedrigung förmlich zu nichts geworden ist, kommt ihre geistige Vereinigung mit Gott zustande .... Diese besteht .... einzig in einem Kreuzestod bei lebendigem Leibe, im Sinnlichen wie im Geistigen, äußerlich wie innerlich“[1]. Das kann nicht anders sein, weil nach Gottes wunderbarem Heilsplan Christus die Seele „durch dieselben Mittel erlöst und mit sich vermählt, wodurch die menschliche Natur verdorben und zugrunde gerichtet wurde. Wie nämlich im Paradies durch den Genuß der verbotenen Frucht die menschliche Natur zerstört und dem Verderben preisgegeben wurde, so wird sie unter dem Baum des Kreuzes von Ihm erlöst und wiederhergestellt[2]. Wenn sie Sein Leben teilen will, muß sie mit Ihm durch den Kreuzestod hindurchgehen: gleich Ihm die eigene Natur kreuzigen durch ein Leben der Abtötung und Selbstverleugnung und sich ausliefern zur Kreuzigung in Leiden und Tod, wie Gott sie fügen oder zulassen will. Je vollkommener diese aktive und passive Kreuzigung sein wird, desto inniger wird die Vereinigung mit dem Gekreuzigten sein und desto reichlicher der Anteil am göttlichen Leben.

Damit sind die Hauptmotive der Kreuzeswissenschaft angeschlagen. Sie werden uns immer wieder entgegenklingen, wenn wir dem Lehrwort des Heiligen lauschen und seinem Lebensweg nachgehen. Es soll gezeigt werden, daß sie die tiefsten bewegenden Kräfte sind, wodurch dieses Leben und Lebenswerk geformt ist.



  1. Aufstieg zum Berge Karmel, B. II Kap. 6, E. Cr. I 120 ff.
  2. Geistlicher Gesang, Erklärung zu Str. 23, E. Cr. II 282.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/027&oldid=- (Version vom 3.8.2020)