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Läuterung des Willens

und Verherrlichung Gottes durch den, der sie wirkt, oder durch die Zeugen, vor deren Augen sie geschehen. Um der zeitlichen Wirkung willen soll man an den übernatürlichen Werken kein Wohlgefallen haben, denn so sind sie kein Mittel zur Vereinigung mit Gott. Man kann sie „vollbringen, ohne die heiligmachende Gnade und Liebe zu besitzen“; Gott kann sie so verleihen (wie es bei Balaam und Salomon geschah); sie können aber auch durch Mitwirkung Satans oder geheimer Naturkräfte vollbracht werden. Paulus hat es gelehrt, daß all diese Gnadengaben ohne die Liebe nichts sind (1 Cor. 13,1-2). Dann wird Christus vielen, die für ihre Wundertaten den ewigen Lohn verlangen, die Antwort geben: „Hinweg von mir, ihr Übeltäter!“ (Matth. 7, 23). Daher soll man sich nur an dem geistigen Gewinn dieser Gaben freuen, d.h. daran, daß man „Gott dient in wahrer Liebe, in der die Frucht des ewigen Lebens ist“[1].

Eitle Freude an den übernatürlichen Dingen führt die Seele dazu, „daß sie andere irreführt und selbst irregeführt wird“, im Glaubensleben rückwärts geht und eitler Ruhmsucht oder anderer Eitelkeit zum Opfer fällt. Die Irrtümer kommen daher, daß man nur durch hohe Einsicht und göttliche Erleuchtung erkennen kann, ob solche Werke „echt oder unecht sind und wie und wann man sie vollbringen soll“; dieser Erkenntnis steht aber die Hochschätzung der Werke im Wege: das Wohlgefallen trübt das Urteil, und die Leidenschaft treibt dazu an, sich die Freude möglichst bald zu verschaffen, ohne die rechte Zeit abzuwarten. Gott gibt zwar mit solchen Gaben und Gnaden zugleich die nötige Erleuchtung und Anregung, um zu erkennen, wie und wann man sich ihrer bedienen soll. Die Menschen aber in ihrer Unvollkommenheit achten nicht auf den göttlichen Willen und halten sich nicht daran, wie und wann der Herr die Werke vollbracht haben will. So wird ein ungerechter und verkehrter Gebrauch der von Gott verliehenen Gaben möglich. Darüber hinaus kommt es auch durch die eitle Freude an Wunderwerken dazu, daß man sie mit Kräften vollbringt, die nicht von Gott stammen. „Merkt nämlich der böse Feind, daß man für solche Dinge eingenommen ist, so eröffnet er ihnen ein freies Feld, bietet ihnen reichlichen Stoff und drängt sich in vielfacher Weise ein“. „Wer also eine solche Gabe oder übernatürliche Gnade empfängt, der möge das leidenschaftliche Verlangen und die Freude daran unterdrücken, wenn er sich ihrer bedient.... Denn Gott, der sie auf übernatürlichem Wege zum Wohl der Kirche und ihrer Kinder verleiht, gibt auch auf übernatürliche Weise die Anregung, sich ihrer zu bedienen, wann und


  1. a. a. O. B. III Kap. 29, E. Cr. I 359 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/089&oldid=- (Version vom 3.8.2020)