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Läuterung des Willens

bewunderungswürdiger Gewinn, der unmittelbar und wesentlich zur vollkommenen Vereinigung der Seele mit Gott führt“[1].

Mehr als alle andern führen zur Vereinigung mit Gott die geistigen Güter: das sind „jene, die anregen und behilflich sind zu göttlichen Dingen, zum Verkehr der Seele mit Gott und bei den Mitteilungen Gottes an die Seele“. Es können angenehme oder mühevolle Güter sein, und es kann sich dabei um klar und bestimmt erkannte Dinge handeln oder um unklare und dunkle. Der Heilige will hier nur von den angenehmen reden, die klare und bestimmte Dinge zum Gegenstand haben. (Die andern stellt er für später zurück[2].) Es gilt allen Eindrücken gegenüber für den Willen dieselbe Regel des Verhaltens wie für den Verstand und das Gedächtnis, da diese nichts aufnehmen oder abweisen können, ohne daß der Wille dabei beteiligt wäre. Wovon sie gereinigt werden müssen, daraus darf auch der Wille keine Freude schöpfen[3].

Die Güter, die dem Willen eine klar bewußte Freude zu geben vermögen, können anregend oder ermunternd, leitend oder vollendet sein. Zu den anregenden gehören die Bilder und Statuen der Heiligen, Oratorien und Zeremonien. „Die Bilder und Statuen .... können Anlaß sein zu großer Eitelkeit und eitler Freude“, wenn die Menschen „mehr auf die Seltenheit und den künstlerischen Wert des Bildes sehen als auf das, was es darstellt“. Dann sind es nur die Sinne, die sich davon einnehmen „lassen und daran ergötzen, während die Liebe und die Befriedigung des Willens nicht auf ihre Rechnung kommen“. Man geht soweit, mit Kleidern, die dem Zeitgeist entsprechen, die Heiligen zu schmücken, „denen so etwas zum Abscheu war und auch jetzt noch ist“. Man richtet die Andacht auf den „Schmuck der Puppe“ und hängt daran wie an einem Götzenbild. Manche Leute können „sich nie genug Bilder verschaffen, und sie müssen diese oder jene Form .... haben, um die Sinne zu befriedigen, während die Andacht des Herzens zu kurz kommt....“ Bei rechtem Gebrauch aber sind die Bilder „von großer Bedeutung für den Gottesdienst und notwendig, um den Willen zur Andacht zu stimmen“. Zu diesem Zweck und zur Verehrung der Heiligen hat die Kirche ihren Gebrauch gutgeheißen. „Deshalb soll man jenen den Vorzug geben, die das getreue und lebendige Bild wiedergeben und den Willen mehr zur Andacht anregen“. „Der Fromme richtet seine Andacht vor allem auf das Unsichtbare; er begnügt sich mit einer geringen Zahl von Bildern“, bevorzugt „jene, die


  1. a. a. O. B. III Kap. 31, E. Cr. I 367 f.
  2. a. a. O. B. III Kap. 32, E. Cr. I 369 f.
  3. a. a. O. B. III Kap. 33, E. Cr. I 371.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/091&oldid=- (Version vom 3.8.2020)