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Entblößung der geistigen Kräfte in der aktiven Nacht

sind.... So muß man die Kräfte des Willens und seine Freude in den Gebeten auf Gott richten und darf sich nicht auf selbsterfundene Gebräuche stützen....; man führe keine neuen Gebräuche ein, als verstünde man die Sache besser als der Heilige Geist und Seine Kirche. Wenn Gott ein so einfältiges Gebet nicht erhört, so sollen jene nicht glauben, daß Er sie erhören werde, mögen sie auch noch so viele Erfindungen machen“. Wir werden von Gott alles erlangen, was immer wir begehren, „wenn wir mit dem übereinstimmen, was Ihm entspricht; wenn wir aber unsere persönlichen Interessen verfolgen, dann ist es zwecklos, uns an Ihn zu wenden“. „....Als die Jünger den Herrn baten: ,Herr, lehre uns beten‘, da belehrte Er sie gewiß über alles, was notwendig ist, um vom Ewigen Vater erhört zu werden.... Er lehrte sie nur die sieben Bitten des Vaterunsers, in denen all unsere geistigen und leiblichen Bedürfnisse enthalten sind, und sprach weiter nichts von verschiedenen anderen Gebetsformeln und Zeremonien. Im Gegenteil, Er legte ihnen ans Herz, beim Gebet nicht viele Worte zu machen, da unser Vater im Himmel wohl wisse, was wir bedürfen (Matth. 6,7-8). Nur eines schärfte Er uns mit besonderem Nachdruck ein: daß wir beharrlich sein sollen beim Gebet....“ Für die äußere Verrichtung gab Er nur zwei Anweisungen: „.... wenn du beten willst, geh in dein Kämmerlein, schließ die Tür und bete zu deinem Vater im Verborgenen“ (Matth. 6, 6). Ferner sollen wir uns „an einsame Orte zurückziehen, wie Er es tat, und zur besten und ruhigsten Zeit: bei Nacht“. Von bestimmten Zeiten und Tagen, Zeremonien und Redewendungen sagt Er nichts[1].

Johannes spricht schließlich noch von den Predigern, die uns bestimmen können, dem Herrn zu dienen. Um dem Volk nützen zu können und nicht selbst ein Opfer eitler Selbstgefälligkeit zu werden, muß der Prediger „vor Augen haben, daß das Predigen eine Geistesarbeit ist und kein bloßes Gerede“. Für die Wirkung der Predigt ist auch eine gewisse Empfänglichkeit der Hörer vorausgesetzt, aber das Wichtigste ist die richtige Verfassung des Predigers. Wenn er nicht vom wahren Geist durchdrungen ist, wird die erhabenste Lehre und der vollkommenste Stil nichts nützen. Je vorbildlicher sein Leben ist, desto mehr Nutzen wird er stiften, wenn auch sein Stil armselig und sein Vortrag einfach ist. Ein schöner Stil, eine erhabene Lehre und ein guter Vortrag reißen mächtig hin, wenn daraus der Geist der Frömmigkeit spricht. „Aber ohne diesen Geist finden nur die Sinne und der Verstand daran Geschmack und Befriedigung,


  1. a. a. O. B. III Kap. 43, E. Cr. I 395 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/096&oldid=- (Version vom 3.8.2020)