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Tod und Auferstehung

Ende nimmt, schwinden auch die Finsternisse, die Kraft und Wärme der Liebe in der Seele“[1].

Die Reinigung der Seele durch dieses liebeglühende, dunkle, geistige Feuer entspricht der Reinigung der Geister im Jenseits durch ein dunkles materielles Feuer. Sie erlangt so die Reinheit des Herzens, die nichts anderes ist als die göttliche Gnade und Liebe. Es ist die göttliche Weisheit, die in der dunklen Beschauung die Seelen reinigt und erleuchtet. Es ist dieselbe Weisheit, die auch die Engel von Unwissenheit befreit. Es ist dasselbe göttliche Licht, das die Engel erleuchtet, von den höchsten stufenweise zu den niederen herabsteigend, und von den letzten schließlich auf die Menschen übergeht. Aber der Mensch muß diese liebeatmende Beschauung „in einer ihm entsprechenden Weise aufnehmen, beschränkt und schmerzlich. Denn das göttliche Licht, das den Engel erleuchtet, in Liebe verklärt und mit sanfter Ruhe erfüllte, wie es einem reinen, für einen solchen Einfluß zubereiteten Geist entspricht, erleuchtet den Menschen, weil er unrein und schwach ist, natürlicherweise so, daß es ihn .... in Finsternis, Pein und Bedrängnis führt, ebenso wie die Sonne, wenn sie auf das kranke Auge fällt, es reizt und mit Schmerz erfüllt. Dies dauert solange, bis ihn jenes Feuer der Liebe durch seine Reinigung vergeistigt und verfeinert hat, sodaß er gleich den Engeln die Eingießung jenes liebevollen Einflusses in sanfter Ruhe empfangen kann“.

Das glühende Liebessehnen fühlt die Seele nicht immer und meist nicht gleich bei Beginn der Reinigung, sondern erst, wenn das göttliche Feuer sie schon einige Zeit erwärmt hat. Bisweilen wird dann der Verstand durch diese „geheimnisvolle und liebeglühende Gottesweisheit .... so wonnevoll und göttlich erleuchtet, daß der Wille, davon unterstützt, wunderbar erglüht und, ohne selbst etwas zu tun, durch dieses göttliche Feuer der Liebe in lichten Flammen entbrennt, sodaß jetzt die Seele lebendiges Feuer mit lebendiger Erkenntnis zu empfangen scheint.... Dieses gemeinsame Entbrennen der Liebe in den beiden vereinten Kräften .... ist etwas überaus Kostbares und Wonnevolles für die Seele, denn es ist sicher schon eine Berührung mit der Gottheit, ein Anfang der vollkommenen Liebesvereinigung, die sie erhofft“. Es kommt aber bei diesen Gnadenmitteilungen auch vor, „daß der Wille liebt, ohne daß der Verstand zu erkennen vermag, und ebenso, daß der Verstand erkennen kann, ohne daß der Wille liebt. Da nämlich diese dunkle Nacht der Beschauung göttliches Licht und göttliche Liebe in sich begreift,


  1. a. a. O. Str. 1 V. 2, § 1 Kap. 11, E. Cr. II 84 ff.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/118&oldid=- (Version vom 7.1.2019)