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Tod und Auferstehung

die Seele vor Verirrungen durch sie sicher ist. Dadurch befreit sie sich nicht bloß von sich selbst, sondern auch von .... der Welt und dem Teufel, die gegen die Seele, wenn ihre Neigungen und Tätigkeiten zur Ruhe gekommen sind, von keiner Seite und auf keine Weise mehr ihre Feindseligkeiten eröffnen können“. Nun verlieren sich ihre Begierden und Vermögen nicht mehr in unnütze und gefährliche Dinge; sie fühlt sich sicher „vor eitler und falscher Freude und vielen anderen Dingen....“, ist also „infolge ihres Wandels im dunklen Glauben keineswegs in Gefahr verlorenzugehen, sondern .... erwirbt sich .... in diesem Stande die Tugenden“. Daß die dunkle Nacht der Seele auch den Genuß guter Dinge, ja selbst übernatürlicher und göttlicher raubt, ist darin begründet, daß die ungereinigten seelischen Kräfte die übernatürlichen Dinge nur auf gewöhnliche und natürliche Weise aufnehmen können. Durch die „Entwöhnung, Reinigung und Ertötung .... verlieren sie jene niedrige und menschliche Wirkungsweise und Empfänglichkeit, und so werden alle diese Fähigkeiten und Begierden der Seele zubereitet und gestählt, um die göttlichen und übernatürlichen Dinge auf reine und erhabene Weise aufzunehmen, zu empfinden und zu genießen. Dies aber ist unmöglich, wenn nicht zuvor der alte Mensch stirbt. Wenn darum diese geistigen Dinge nicht als Mitteilung von oben, vom Vater der Lichter, dem menschlichen Wollen und Begehren zukommen, so kann sie der Mensch auch nicht auf göttliche und geistige Weise genießen, so sehr er auch .... Gott .... seine Kräfte zuwendet und so großen Genuß er auch an Ihm zu finden scheint. Er wird Gott nur auf menschliche und natürliche Weise kosten können wie die übrigen Dinge. Denn die Gnadengüter gehen nicht vom Menschen aus zu Gott, sondern kommen von Gott zum Menschen“. So finden viele großen Genuß an Gott und geistlichen Dingen und „halten dies vielleicht für etwas Übernatürliches und Geistiges, während es doch oft nur rein natürliche und menschliche Tätigkeiten und Begierden sind“. Darum darf die Seele Trockenheit und Dunkelheit als glückliche Anzeichen ansehen: als Anzeichen, daß Gott daran ist, sie von sich selbst zu befreien; Er windet ihr ihre Seelenkräfte aus den Händen. Wohl hätte sie viel damit erwerben können, aber niemals so vollendet, vollkommen und sicher damit wirken können wie nun, wo Gott sie an der Hand nimmt. Er führt sie wie einen Blinden auf dunklen Wegen, ohne daß sie weiß, wo und wohin – doch auf Wegen, die sie selbst beim glücklichsten Wandeln durch den Gebrauch ihrer eigenen Augen und Füße nie gefunden hätte. Dabei macht sie große Fortschritte, ohne es selbst zu vermuten, ja in der Meinung, verloren zu sein. Denn sie kennt den neuen

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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/122&oldid=- (Version vom 7.1.2019)