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Tod und Auferstehung

die Trübsale hindurch, ohne schwach zu werden und den Geliebten zu verlassen“. In den Trübsalen und Bedrängnissen prüft Er ihren Glauben.

Über dem weißen Unterkleid des Glaubens trägt die Seele das grüne Mieder der Hoffnung. In Kraft dieser Tugend „befreit sich die Seele von dem zweiten Feind, der Welt, und schirmt sich dagegen. Denn dieses frische Grün der lebendigen Hoffnung auf Gott verschafft der Seele eine solch lebensprühende Kraft und Kühnheit, sie wird so mächtig zu den Gütern des ewigen Lebens emporgetragen, daß ihr im Verhältnis zu dem, was sie hofft, alle Dinge dieser Welt trocken, welk, tot und wertlos vorkommen, wie sie es auch wirklich sind. Hier entblößt und entledigt sich die Seele aller weltlichen Trachten und Kleider, sie hängt auch ihr Herz an nichts mehr und hofft nichts von dem, was in der Welt ist und sein wird, und lebt einzig mit der Hoffnung auf das ewige Leben bekleidet dahin. Da sie ihr Herz so hoch über die Erde erhoben hat, so kann diese sie nicht mehr berühren noch das Herz ergreifen, ja nicht einmal den Blick fesseln. Und so wandelt die Seele in dieser grünen Tracht und Verkleidung wohlverwahrt vor dem zweiten Feinde, der Welt“. Es ist „die eigentliche Aufgabe der Hoffnung, in der Seele die Augen nur erheben zu lassen, um auf Gott zu schauen“, so daß sie von anderswohin kein Gut mehr erhofft. In diesem Gewände ist sie dem Geliebten so wohlgefällig, daß sie von Ihm erlangt, soviel sie hofft. Ohne diese grüne Tracht würde sie „nichts erreichen, da Gott nur durch beharrliche Hoffnung bewegt und überwältigt wird“.

„Über diesem weißen und grünen Kleid trägt die Seele gleichsam als Krönung und Vollendung der ganzen Kleidung die dritte Farbe, eine prachtvolle hochrote Toga“, das Sinnbild der Liebe. Durch sie „wird die Seele beschützt und verborgen vor dem dritten Feinde, dem Fleisch. (Denn wo die Liebe zu Gott herrscht, da hat die Liebe zu sich selbst und dem Seinen keinen Zutritt mehr.) Jene Liebe .... stärkt überdies auch die andern Tugenden, gibt ihnen Leben und Kraft zum Schutz der Seele, verleiht ihnen Anmut und Liebreiz, um mit ihnen dem Geliebten zu gefallen. Denn ohne die heilige Liebe ist keine Tugend vor Gott angenehm“.

Dies also ist die Verkleidung, in der die Seele in der Nacht des Glaubens zu Gott emporsteigt. Glauben, Hoffnung und Liebe geben ihr die geeignetste Zubereitung für die Vereinigung: „Der Glaube entleert und verdunkelt den Verstand in seiner ganzen natürlichen Erkenntnis und bereitet ihn dadurch zu für die Vereinigung mit der göttlichen Weisheit. Die Hoffnung entleert und trennt das Gedächtnis von allem Besitz der geschaffenen Dinge .... und setzt

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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/130&oldid=- (Version vom 7.1.2019)