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Passive Nacht des Geistes

Seele um so herrlicher belohnt werden. Darum .... erlaubt Gott dem Teufel, in derselben Weise auf die Seele einzuwirken, wie Er selbst mit ihr verfährt“. Läßt Er ihr durch Seinen guten Engel eine wahre Vision zuteilwerden...., so darf der böse Geist ihr falsche Visionen vorspiegeln, die der wahren täuschend ähnlich sind. Auch geistige Gunstbezeugungen, die durch gute Engel hervorgebracht werden, kann er nachbilden. Rein geistige Mitteilungen aber, die keine Form und Gestalt haben, kann er nicht nachäffen. „Um darum die Seele in der Weise, wie sie von Gott begnadigt wird, anzufechten, tritt er mit seinem furchterregenden Geist vor sie hin, um das Geistige mit Geistigem zu bekämpfen und zu verderben. Geschieht das zu einer Zeit, wo der gute Engel die Seele in den Zustand der geistigen Beschauung erhebt, so kann sich die Seele nicht so schnell in das geheime Versteck der Beschauung flüchten, ohne daß sie vom Teufel bemerkt wird...., und das hat einen Schrecken und eine Verwirrung des Geistes zur Folge, die für die Seele überaus peinlich sind. Doch kann sie sich manchmal augenblicklich zurückziehen, ohne daß der böse Geist in ihr einen Eindruck hervorzurufen und sie in jenen Schrecken zu versetzen vermag: gestärkt durch die wirksame Gnade des guten Engels birgt sie sich in ihrem Innern. Manchmal aber gewinnt der Teufel die Oberhand und es erfaßt die Seele eine Verwirrung und ein Schrecken, die für sie weit peinlicher sind als irgend eine Qual dieses Lebens. Da nämlich diese schreckliche Einwirkung einzig und allein zwischen Geist und Geist stattfindet ohne Beimischung des Körperlichen, so übersteigt ihre Qual alle Begriffe. Allerdings währt dies nicht allzulang im Geist, sonst müßte er sich infolge der fruchtbaren Einwirkung des andern Geistes vom Leib trennen.... All das.... geht in der Seele vor, ohne daß sie ihrerseits dabei etwas tun oder sich dagegen wehren könnte“. Doch es geschieht nur, „um sie zu reinigen und durch ein geistiges Vigilfasten auf ein großes Fest und ein geistiges Gnadengeschenk vorzubereiten....; nach dem Maße der dunklen und schrecklichen Reinigung .... wird die Seele mit dem wunderbaren .... Genuß der geistigen Beschauung beglückt, und zwar in so erhabener Weise, daß sie dafür keinen Ausdruck findet“. Die vorausgegangenen Schrecknisse haben sie in hohem Maße dafür empfänglich gemacht; „denn diese geistigen Visionen gehören mehr dem anderen als diesem Leben an, und wenn eine sich zeigt, bereitet sie für die andere vor“. Das gilt aber nur für Gnaden, die durch Engelsvermittlung erwiesen werden. Wenn Gott selbst die Seele heimsucht, dann bleibt sie völlig „im Dunkel und verborgen“, weil „Seine Majestät wesenhaft in der Seele wohnt, wohin weder ein Engel noch der Teufel gelangen kann,

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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/133&oldid=- (Version vom 7.1.2019)