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hat. Sie preist Ihn ferner wegen der Gnadengüter, die sie empfängt, und um des Entzückens willen, das sie beim Lobe Gottes empfindet. Darüber hinaus aber preist sie Ihn um dessentwillen, was Er in sich selbst ist; „denn würde die Seele auch keine Wonne empfinden, so würde sie Ihn doch um Seiner selbst willen lobpreisen“[1].


d) Verborgenes Liebesleben
Wie sanft und voller Liebe
In meinem Schoß erwachest Du,
Wo Du verborgen weilest ganz allein;
Mit Deinem süßen Hauche
Voll Glück und Herrlichkeiten,
Wie zart läßt Du in Liebe mich entbrennen!

Die Seele spricht von einer wunderbaren Wirkung Gottes, die sie bisweilen in sich wahrnimmt. Sie hat das Bild eines Menschen vor Augen, der vom Schlaf erwacht und aufatmet, denn sie hat wirk­lich das Gefühl, daß etwas dergleichen in ihr vorgeht.

„Gott erwacht auf mannigfache Weise in der Seele. Wollten wir alle diese Weisen anführen, wir kämen mit der Aufzählung an kein Ende. Aber dieses Erwachen des Sohnes Gottes, worauf die Seele hier hinweist, ist überaus erhaben und gewinnreich für sie. Es ist eine Bewegung, die das Wort im Wesen der Seele hervorruft, von sol­cher Erhabenheit, Macht und Herrlichkeit und von so innerster Süßigkeit, daß es der Seele vorkommt, als seien alle Balsamdüfte, alle wohlriechenden Spezereien und Blumen der ganzen Welt ausgestreut...., als seien alle Königreiche und Herrschaften der Welt und alle Kräfte und Gewalten des Himmels in Bewegung, .... als leuchteten alle Kräfte und Wesen, alle Vollkommenheiten und Rei­ze aller geschaffenen Dinge auf und machten einträchtig ein und dieselbe auf Eines hinzielende Bewegung.... Wenn also jener erha­bene Gebieter in der Seele sich geltend machen will, dem die Herr­schaft über das dreifache Weltengebäude .... auf die Schulter ge­legt ist, und der .... durch das Wort Seiner Macht alles trägt, so scheint es, daß alles auf einmal in Bewegung gerät, so wie bei der Bewegung der Erde alle stofflichen Dinge, die sich auf ihr befinden, sich bewegen, als wären sie nicht.... Dieser Vergleich ist aber durchaus unzulänglich, da hier alle Dinge sich nicht nur zu bewegen


  1. Ende der Erklärung zu Str. 3, Obras IV 88 ff. u. 199 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/190&oldid=- (Version vom 7.1.2019)