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Das Brautsymbol und die einzelnen Bilder

darzubringen und Ihn zu erfreuen, und jede Störung fernhalten. Aber die sinnlichen Gelüste, die lange Zeit ruhten wie Füchse, die sich schlafend stellten, brechen mit einemmal hervor, angestachelt durch die bösen Geister, um das friedliche Blütenreich der Seele zu zerstören. Dem Teufel „liegt ja weit mehr daran, diese Seele auch nur um eine Unze ihres Reichtums und ihrer beseligenden Wonne zu betrügen, als andere in viele und schwere Sünden zu stürzen. An­dere haben nämlich wenig oder nichts zu verlieren, sie aber vieles, da sie schon so großen und kostbaren Gewinn gemacht hat“[1]. So bringen die bösen Geister die Gelüste in heftige Erregung, um die Seele zu verwirren; können sie damit nichts ausrichten, so greifen sie sie mit körperlichen Qualen und Geschrei an. Unerträglich aber wird die Pein, wenn sie ihr mit geistigen Schreckbildern und Beäng­stigungen zusetzen. „Und dies ist ihnen zu jener Zeit gar leicht mög­lich, wenn sie dazu die Erlaubnis erhalten. Begibt sich nämlich die Seele in vollster Geistesentblößung zu geistigen Übungen, so ver­mag der böse Feind, da er auch ein Geist ist, gar leicht vor sie hin­zutreten. Zuweilen fällt er sie mit anderen Schrecknissen an, .... und zwar gerade, wenn Gott sie ein wenig aus der Behausung ihrer Sinne herausführt, um sie .... in den Garten des Bräutigams ein­treten zu lassen. Der böse Feind weiß eben, daß die Seele, wenn sie einmal in jener Sammlung sich befindet, so geschützt ist, daß er ihr trotz aller Anstrengung keinen Schaden mehr zufügen kann. Oft, wenn der böse Feind darauf ausgeht, sie zu Fall zu bringen, pflegt sich die Seele in größter Eile in den Schutzkeller ihres Inneren zu­rückzuziehen, wo sie große Wonne und sicheren Schutz findet; da empfindet sie diese Schrecknisse als etwas ganz Äußerliches und Fernliegendes, sodaß sie ihr keine Furcht, sondern vielmehr Freude und Genuß bereiten“[2]. Gerät sie aber in Unruhe, dann fleht sie die Engel an, „die Füchse zu fangen“, denn ihre Aufgabe ist es, die bösen Geister zu verscheuchen.

Sind alle Schädlinge entfernt, dann kann die Seele sich, vereint mit dem Geliebten, an all den Tugendblüten erfreuen, die sich un­ter Seinem Blick erschließen und ihren Duft aushauchen. Sie windet sie zum Strauß „und bietet sie alle vereint und jede im besonderen in zärtlichster und innigster Liebe dem Geliebten dar“. Sie bedarf aber dazu Seiner Hilfe; ohne Ihn brächte sie keinen Strauß zustan­de. Fest binden sie den Strauß, einem Tannenzapfen gleich, in dem alle Teile dicht und fest zusammengeschmolzen sind: so ist auch die


  1. Vorbemerkung zu Str. 16 (Hinzufügung der zweiten Bearbeitung), Obras III 284.
  2. Erklärung zu Str. 16 V. 1 u. 2, Obras III 286.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/221&oldid=- (Version vom 6.1.2019)