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Nachwort

Persönlichkeit erörtert: Ich, Freiheit und Person einerseits; Geist, Glaube und Beschauung andererseits[1].


§ 3. ERHELLUNG DES SCHAFFENSPROZESSES

Der Schaffensprozeß bleibt im allgemeinen das Geheimnis des Autors. Das Schaffensprodukt, formal vollendet in Maschinen- oder Druckschrift, verrät wenig oder nichts über den Werdegang des Gedankengebäudes und seiner Darstellung. Überdies verwischen sich in der endgültigen Fassung durch die innere und äußere Vollendung des Werkes, dem Grad dieser Vollendung entsprechend, die Züge seiner Entstehungsgeschichte.

Vom Standpunkt der Bewertung des Schaffensprodukts ist es gerechtfertigt, allein seine letztliche Form als vollgültig anzuerkennen, demgegenüber Bemühungen, den Schleier des Geheimnisses um seinen Werdegang zu lüften, als sachlich wertlos, persönlich indiskret abzulehnen. Anders stellt sich die Frage gegenüber den Aufgaben: Rekonstruktion eines nachgelassenen Manuskriptes, dessen Blätter verstreut teils in der geistlichen Heimstätte der Autorin zurückgefunden, teils aus den Trümmern eines benachbarten Klosters aufgelesen werden konnten; und Rekonstruktion des geistigen Portraits der Autorin selbst, die, frühvollendet im Opfertod der Deportation, von den Trümmern unseres Zeitalters begraben wurde. Hier kann ausschließlich der Einblick in den Schaffensprozeß Auskunft geben über die Konzeption des Werkes und über den Grad seiner Vollendung. Zugleich liefern das inhaltliche und formale Studium der Aufzeichnungen sowie die Auswertung der Skizzen und Notizen Anhaltspunkte für die Umreißung des geistigen Portraits E. Steins in ihrer letzten Lebens- und Schaffensperiode.


Im besonderen waren er drei formale Merkmale, die in dem vorliegenden Manuskript den Weg zur Erforschung des Schaffensprozesses wiesen: das Schriftbild, die Ausschaltung von Blättern und die zweifache Abänderung der Seitenzählung.

Das Schriftbild ist in dreifacher Hinsicht aufschlußreich für den Nachweis und die chronologische Ordnung der Schaffensstadien: Feder, Tinte (Fluß und Farbe), Schrift (Größe und Duktus). Aus den verschiedenen Verbindungen, in denen diese Merkmale in Erscheinung treten, heben sich zwei Typen des Schriftbildes voneinander ab, von denen sich das, wie wir später erkennen werden, chronologisch ältere Schriftbild unter zwei Aspekten darstellt:


  1. Siehe S. 3.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/286&oldid=- (Version vom 9.3.2019)