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Sein und Zeit

sei, wird daher nicht ohne eine Nachprüfung dessen, was über den Tod gesagt ist, möglich sein.

Vor allem anderen müssen wir die Frage stellen: Was ist der Tod? Heidegger antwortet: das Ende des Daseins. Er fügt sofort hinzu, es solle damit über die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode keine Entscheidung gefällt sein. Die Analyse des Todes bleibe allerdings rein diesseitig: sie betrachte den Tod nur, sofern er als Seinsmöglichkeit des jeweiligen Daseins in dieses hereinstehe. Was nach dem Tode sei, könne mit Sinn und Recht erst gefragt werden, wenn das volle ontologische Wesen des Todes begriffen sei[1]. An dieser Auseinandersetzung ist vieles befremdlich. Wenn es des Daseins letzter Sinn ist, Sein zum Tode zu sein, so müßte ja durch den Sinn des Todes der Sinn des Daseins erhellt werden. Wie ist das aber möglich, wenn sich vom Tod nichts anderes sagen läßt als daß er das Ende des Daseins sei? Ist dies nicht ein völlig ergebnisloser Kreislauf?

Ferner: bleibt wirklich die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode offen, wenn man ihn als Ende des Daseins deutet? Allerdings wird an dieser Stelle das Dasein in der Bedeutung: In-der-Welt-sein genommen. Man könnte also sagen: Es ist möglich, daß das In-der-Welt-sein des Menschen endet, ohne daß er damit in einem anderen Sinn aufhörte zu sein. Aber das wäre doch nicht im Sinn der voraufgehenden Analyse, die allerdings neben dem In-der-Welt-sein andere Existentialien hervorgehoben hat, z.B. das Verstehen, aber doch nicht als davon abtrennbar. Außerdem: Könnte etwas von dem, was als zum Sein des Daseins gehörig herausgestellt wurde, fortbestehen, während anderes aufhörte – und wie sollte sonst von Fortleben gesprochen werden? –, so dürfte nicht mehr von einem Enden des Daseins die Rede sein.

Schließlich: Könnte davon gesprochen werden, daß das ontologische Wesen des Todes begriffen sei, solange man es unentschieden ließe ob er Ende des Daseins sei – und darunter müßten wir, so wie Heidegger das Wort Dasein während der ganzen vorausgehenden Untersuchung gebraucht hat, nicht nur das Ende des irdischen Lebens verstehen, sondern das Ende des Menschen selbst – oder Übergang von einer Seinsweise zur anderen? Ist nicht dies vielmehr


  1. a.a.O. S. 247 (im Vorausgehenden S. 79).
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/101&oldid=- (Version vom 31.7.2018)