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Martin Heideggers Existentialphilosphie

beweisbar ist – freilich nicht die besondere Art der Erschaffung, wie sie der biblische Schöpfungsbericht darstellt (mit Rücksicht auf diesen tatsächlichen geschichtlichen Vorgang sprechen wir ja vom Geheimnis der Schöpfung), sondern die Notwendigkeit, nicht per se und a se, sondern ab alio zu sein, die daraus folgt, daß der Mensch etwas, aber nicht alles ist. Ist aber nicht das gerade der eigentliche Sinn der Endlichkeit? Heidegger rührt daran, wenn er am Schluß die Frage auf wirft: „Läßt sich… die Endlichkeit im Dasein auch nur als Problem entwickeln ohne eine vorausgesetzte Unendlichkeit?“ Er muß sofort die weiteren Fragen anschließen: „Welcher Art ist überhaupt dieses Voraussetzen im Dasein? Was bedeutet die so gesetzte Unendlichkeit?“ Mit diesen Fragen faßt er eben das ins Auge, was als vorontologisches Seinsverständnis unseren Bemühungen um den Sinn des Seienden auf dem zurückgelegten Wege Ziel und Richtung gegeben hat: Endlichkeit läßt sich nur fassen im Gegensatz zur Unendlichkeit, d.h. zur ewigen Fülle des Seins. Seinsverständnis eines endlichen Geistes ist als solches immer schon Durchbruch vom Endlichen zum Ewigen.

Damit haben wir vorausgreifend schon mehr beantwortet als die zunächst zur Erörterung stehende Frage nach dem Verhältnis von Transzendenz und Endlichkeit. Es gilt nun erst den begonnenen Gedanken zu Ende zu führen. Ens creatum hat nicht nur die Bedeutung eines tatsächlichen Geschaffenen, sondern eines auf Grund seiner Endlichkeit wesenhaft durch das Unendliche Bedingten. Darin ist also der Sinn von Endlichkeit eingeschlossen: etwas und nicht alles sein. Dieser Sinn von Endlichkeit findet seine Erfüllung aber nicht nur im Menschen, sondern in jedem Seienden, das nicht Gott ist. So gehören Endlichkeit als solche und Transzendenz nicht ohne weiteres zusammen. Tranzendenz bedeutet das Durchbrechen der Endlichkeit, das einem personalgeistigen und als solchem erkennenden Wesen in und mit seinem Seinsverständnis gegeben ist. Heidegger spricht wohl einigemal von der spezifischen Endlichkeit des Menschen, aber ohne jemals zu erörtern, was er darunter verstanden haben will. Um sie zu erklären, mußte das zur Abhebung gebracht werden, was das Sein des Menschen von dem des nicht personal-geistigen Seienden sowie von dem der endlichen reinen Geister unterscheidet.

Wir kommen nun zur zweiten Frage: Handelt es sich bei der Begründung der Metaphysik zuinnerst um die Endlichkeit des Daseins?

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)