Seite:Edith Stein - Welt und Person.pdf/144

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die ontische Struktur der Person...

sie bei sich selbst ist, das ist noch nicht gesagt. Es hängt von dem Geist ab, dem sie sich verschrieben hat, und davon, was dieses Verschreiben besagt.

Zunächst ist Geist ein doppeldeutiges Wort und muß hier in doppeltem Sinne gebraucht werden. Es bezeichnet einmal eine geistige Person und zum andern eine geistige Sphäre. Die Beziehungen, in denen eine geistige Person zu einer geistigen Sphäre stehen kann, sind doppelter Art: zum ersten strömt jede geistige Sphäre von einer Person (eventuell von einer Mehrzahl von Personen) aus und hat notwendig darin ihr Zentrum; zum zweiten kann eine Person in einer geistigen Sphäre, die nicht ihr selbst entströmt, aufgehoben sein. Was wir das Reich der Höhe oder der Gnade nannten, ist die geistige Sphäre, die Gott entströmt. Die Engel sind Personen, die darin, und zwar von Natur aus, aufgehoben sind.

Sich einem Geist verschreiben hat demnach auch einen doppelten Sinn. Es heißt, sich in eine geistige Sphäre hineinbegeben und davon erfüllen lassen. Und es heißt damit zugleich, sich der Person, die das Zentrum dieser Sphäre ist, unterwerfen. Das kann eventuell mittelbar geschehen, indem man sich einer Person unterwirft, die bereits in jener Sphäre aufgehoben, die aber nicht ihr Zentrum ist. So kann man mit dem Geist der Höhe erfüllt werden, d.i. ans Reich der Gnade Anschluß gewinnen, wenn man einem Heiligen nachfolgt, ohne noch sich direkt und unmittelbar Gott unterworfen zu haben.

Die Unterwerfung unter den Geist des neuen Reiches kann von dem, der dort Anschluß sucht, als Unterwerfung im strengen Sinne vollzogen sein: er stellt sich kraft eines freien Aktes in den Dienst jener Sphäre und ihres Herrn. Sie kann auch in anderer Form vor sich gehen, so in dem Fall, den wir als Beispiel wählten: daß ein Mensch außerhalb der Natur Fuß zu fassen sucht, um die Natur zu beherrschen. Wo die Sage uns von solchen Fällen berichtet – Prospero, Faust – scheint es gerade umgekehrt zu liegen. Diese Menschen scheinen, statt sich selbst zu unterwerfen, Geister in ihren Dienst zu zwingen, die der Naturbeherrschung fähig sind. Aber das ist nur Schein. Der Mensch kann mit Geistern, die außerhalb der Natur stehen, nur in Verbindung treten, indem er sich – implicite – ihrer Sphäre verschreibt und von deren Geist erfüllt wird. Es ist nur möglich, daß ihm das durch das Gehaben jener Geister verborgen bleibt. Der Herr der Sphäre, in die er aufgenommen wird,

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die ontische Struktur der Person und ihre erkenntnistheoretische Problematik. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)