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Die ontische Struktur der Person...

dazu befähigt ist. Es handelt sich hier wieder um eines jener speziellen Patronatsverhältnisse, die durch die begrenzte Liebesfähigkeit endlicher Personen erforderlich sind und durch ihre natürlichen Anlagen und Lebensbedingungen vorbereitet werden. Sie bedingen besondere Verantwortungen innerhalb der universellen Verantwortlichkeit.

Die Verantwortung für die Erlösung der Tierwelt ist keine Mitverantwortung wie die für den Mitmenschen. Es besteht hier nicht die prinzipielle Möglichkeit eines unvermittelten Zugangs zur Gnade, und so hängt das Schicksal der unfreien Geschöpfe ganz von der Mittlertätigkeit des Menschen ab.

Es ist die Frage, ob sich diese Verantwortung auch auf die unbeseelte Kreatur ausdehnt. Aus den bisher aufgedeckten Zusammenhängen ist das nicht ersichtlich. Von der metaphysischen Angst ist alles Unbeseelte als solches frei. Wenn eine Erlösung bei ihm möglich und dann auch notwendig sein soll, so kann sie nicht denselben Sinn haben wie bei den seelischen Wesen. In den unbeseelten Kreaturen wirkt sich ein ursprünglich darein gelegter Sinn in reiner Gestalt aus: in den belebten durch eine Gestaltung von innen nach außen, in den unbelebten durch eine rein äußere Entfaltung, eine Ausbreitung im Räume und Erfüllung des Raumes.

Die Auswirkung des Schöpfungsgedankens in dieser Welt geht nicht rein und ungehindert vor sich, die Kreaturen sind in ihrer Entfaltung beständig Hemmnissen und Störungen ausgesetzt und sind ihnen gegenüber wehrlos. Gewisse Hilfsmittel sind in die ihnen eigentümliche Struktur gelegt. Es gibt widerstandfähige Substanzen, die einen Anprall aushalten oder ihm ausweichen können. Aber wie der Charakter eines Menschen seine Beschränktheit zeigt und jeder Tugend ein Fehler wie ihr Schatten zugehört, so bedeutet auch die eigentümliche Qualifikation materieller Substanzen eine Einschränkung auf bestimmte Wirkungsmöglichkeiten. Gerade die Eigentümlichkeit ihrer Struktur, die sie vor gewissen Angriffen sichert, gibt sie anderen preis. (Was nicht ausschließt, daß die eine Substanz, als Ganzes genommen, widerstandsfähiger ist als die andere.) Und überdies: die immanente Widerstandsfähigkeit sichert sie im allgemeinen nur gegen Vernichtung – auch das nur in gewissen Grenzen –, nicht aber gegen eine Abdrängung von ihrer ursprünglichen Seinsrichtung. Gefahren zu vermeiden oder ihnen von sich aus zu begegnen, das

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die ontische Struktur der Person und ihre erkenntnistheoretische Problematik. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/170&oldid=- (Version vom 31.7.2018)