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Die ontische Struktur der Person...

und als Exempel für die Analyse geeignet, oder ob er schon in sich vom Glauben an Gott unterschieden ist. Freilich werden wir fragen müssen, ob es mit dem Wesen der fides verträglich ist, daß sie, auf gewisse Gegenstände angewendet, prinzipiell in die Irre gehen müsse.

Es gibt Akte, die, obwohl sie den belief-Charakter an sich tragen, doch einer Entkräftung fähig sind. Dahin gehört die Wahrnehmung und alle Erfahrung von Dingen dieser Welt. Die Möglichkeit des Nicht- und Andersseins, die der opinio ihren Stempel aufdrückt, besteht auch für das Korrelat der Akte, bei denen die Gewißheit, das Moment des belief, das Sein und Sosein ihrer Gegenstände subjektiv zu verbürgen scheint. Und das ist nicht nur objektiv so, sondern es liegt in den Akten selbst und im belief beschlossen. Der Erfahrungsglaube ist kein endgültiger und unwandelbarer, kein absoluter. Der Glaube an Gott hat diese Absolutheit. Wir können ihn verlieren, aber er kann sich nicht wandeln. Zweifel an Gott ist keine Modifikation der fides. Und streng genommen ist es kein korrekter Ausdruck. Es gibt nur einen Zweifel an der Existenz Gottes, eine Modifikation der Überzeugung, daß Gott ist. Er kann seine Wurzel haben in dem Nicht-Vorhandensein der fides. Es ist aber auch möglich, daß die fides da ist und daneben in der intellektuellen Sphäre statt der Überzeugung, die dadurch begründet wäre, der Zweifel oder gar eine Überzeugung, daß ... nicht...

Subjektive Unterschiede der fides gibt es wohl, man kann von einem mehr und minder festen Glauben sprechen. Aber das sind keine Gradabstufungen der Glaubensgewißheit, sondern ein Mehr und Minder des Sichfesthaltens und entsprechend des Sichgehaltenfühlens.

Wenn wir herausfinden wollen, ob Menschen gegenüber fides möglich ist, müssen wir alles abscheiden, was es an Erfahrungen über Charaktereigenschaften, Gesinnungen, Handlungsweisen etc. gibt. Sie alle gehören in den Bereich des belief und sind prinzipiell enttäuschbar und in sich als solche gekennzeichnet. Es gibt aber ein Festhalten an einem Menschen allen Erfahrungen zum Trotz und durch sie prinzipiell nicht tangierbar. Es orientiert sich an etwas im Menschen, was durch allen Wandel hindurch und unter allem Wandel bleibt. Der wahrhaft Liebende sieht den Geliebten so wie er "aus der Hand Gottes hervorging", so wie er in der Aktualität sein könnte, wenn er ganz er selbst und bei sich selbst wäre. Sehen ist hier wieder nicht

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die ontische Struktur der Person und ihre erkenntnistheoretische Problematik. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)