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Darstellung der hl. Teresia von Jesus

Wie läßt es sich also denken, daß die Seele dieses Geheimnis erkenne? ich weiß es nicht; und vielleicht weiß es überhaupt kein geschaffenes Wesen, sondern nur der Schöpfer“[1].

Trotzdem man von diesen Gnaden nachher nichts zu sagen weiß, „bleiben sie doch dem Innersten der Seele so tief eingeschrieben, daß man ihrer nie mehr vergißt“ und „gewisse Wahrheiten von der Größe Gottes einer solchen Seele sich so tief einprägen, daß sie, selbst wenn sie den Glauben noch nicht hätte, der ihr sagt, wer Gott ist und daß sie verpflichtet sei, ihn als Gott zu glauben, von diesem Augenblick an ihn als Gott anbeten würde, wie Jakob getan, als er die Leiter geschaut“[2].

Zugleich schaut sie in der Verzückung etwas von den Herrlichkeiten jener „Wohnung des höchsten Himmels, die wir im Innern unserer Seele selbst haben müssen“[3]. Das geschieht nur wie mit einem flüchtigen Blick, da sie meist „so ganz in den Genuß Gottes versenkt ist, daß ihr ein so großes Gut genügt“; immerhin „kann sie sich dann, wenn sie wieder zu sich gekommen, die geschauten Herrlichkeiten vergegenwärtigen, ohne jedoch etwas davon erzählen zu können“[4]. Und damit sie sich ganz ungestört in die Betrachtung des Herrn sowie des Reiches, das sie als seine Braut gewinnt, versenken könne, „duldet er kein Hindernis, weder von seiten der Vermögen noch von seiten der Sinne, und darum gebietet er, daß schnell die Türen aller dieser Wohnungen geschlossen werden“[5]; ebenso die Türen „der Burg und ihrer Einfriedung“[6]; nur die des Gemaches, welches er selbst bewohnt, bleibt offen, damit wir in dasselbe eingehen können“[7].

In der Tat sind die beiden letzten Wohnungen nicht streng voneinander getrennt; „jedoch kommt in der letzten Wohnung so manches vor, was nur denen geoffenbart wird, die in dieselbe eingehen“[8]. Die große Ekstase, in der die natürliche Tätigkeit der äußeren und inneren Sinne sowie der geistigen Kräfte aufgehoben ist, dauert meist nicht lange. Aber auch, wenn sie ganz vorüber ist, bleibt „der Wille noch versenkt… und der Verstand so verloren…, daß es scheint, er könne auf nichts achten als auf das, was den Willen


  1. a.a.O. S. 178.
  2. a.a.O. S. 180. Sen. 28, 12 ff.
  3. a.a.O. S. 182.
  4. a.a.O. S. 184.
  5. a.a.O. S. 184.
  6. a.a.O. S. 186.
  7. a.a.O. S. 184.
  8. a.a.O. S. 179.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die Seelenburg. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/55&oldid=- (Version vom 31.7.2018)