Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 027.png

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Das Papsttum will das unfehlbare Lehramt sein, das Christus in der Kirche aufgerichtet habe. Damit macht es den Schriftgrund wankend, damit wird die gottgewirkte Urkunde der Offenbarung zurückgedrängt. Die Kirche in ihrer äußeren Verfassung ist alles; der Glaube wird heruntergedrückt und ist in der katholischen Kirche nichts anderes als Annahme dessen, was die Kirche lehrt, wie es in ihrem Katechismus heißt: „Glauben ist Annehmen dessen, was die Kirche zu glauben dargibt“. Daß das Wort, die Quelle der Wahrheit, dadurch zurückgedrängt worden ist, ist unschwer zu beweisen. Die Laien, die Gemeindeglieder wurden am Lesen der Schrift gehindert. Innozenz III., der gewaltige Papst, hat ein förmliches Verbot des Schriftlesens für die Gemeindeglieder erlassen. Er sagt, wie einst der Sinai umzäunt worden sei, daß das Volk sich nicht nahen konnte der göttlichen Offenbarung, so müsse auch die Schrift dem Volk vorenthalten werden, da es nur durch die Hand der Kirche das Heil dargeboten erhalten soll. Auch in der tridentinischen Kirchenversammlung, die nach der Reformation von 1543 bis 1563 getagt und auf welcher sich die katholische Kirche gegenüber der Reformation abgegrenzt hat, hat man zwar nicht gewagt, das förmliche Bibelverbot aufrecht zu erhalten, aber doch wörtlich ausgesprochen: „Das Lesen der Bibel durch Laien sei zu widerraten, denn es sei mehr schädlich als nützlich.“ Wir wissen auch aus Luthers Leben, daß derselbe schon ein gelehrter Mann, schon Doktor der Philosophie geworden war und noch nie eine Bibel zu Gesicht bekommen hatte, bis er aus der Universitätsbibliothek in Erfurt zufällig eine solche entdeckte. Bei dieser Abweichung von der Quelle der Wahrheit war eine Reformation der Kirche notwendig.


IV.

Aber das Papsttum hat nicht allein eine falsche Stellung zur Quelle der Wahrheit mit sich gebracht, sondern mußte auch schädigend wirken auf den Heilsweg für den Einzelnen. Es kann nur von nachteiligem Einfluß für das innere Leben der Christen sein, wenn sie abgeschnitten werden von der Schrift. Wie viel Stärkung des Glaubens mangelt damit. Wie ist besonders jede Selbständigkeit und Festigkeit des einzelnen Christen in Frage gestellt, ja unmöglich gemacht, wenn er sich nicht aus der Schrift überzeugen kann, daß es sich also verhielte, wenn ihm die Möglichkeit eigener Prüfung damit abgeschnitten ist. Ueberhaupt, wie schädlich ist es für den Christenstand, wenn die Kirche sich in die Mitte drängt zwischen den Einzelnen und seinen Gott. Wir achten die Kirche für nichts Geringes nach den beiden Seiten hin, sowohl als Gemeinschaft der Gläubigen wie als Anstalt der Gnadenmittel. Löhe[WS 1] hat in den drei Büchern von der Kirche in hohen Worten die Herrlichkeit der

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