Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 073.png

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So hat unser kirchlicher Kreis sich veranlaßt gesehen, mehr wie einmal eine Kundgebung, ein öffentliches Zeugnis in kirchlichen Dingen zu erlassen. Dabei kann es sich um Dinge handeln, die man zur Not zu tragen vermag, die man aber entschieden mißbilligen, aus deren Abstellung man hinwirken muß. Es können aber auch bei solcher Kritik Dinge in Betracht kommen, die nicht getragen werden dürfen, die unbedingt abgetan werden müssen, wie es der erhöhte Herr an der Gemeinde von Ephesus lobend anerkennt, daß sie die Bösen nicht tragen konnte. Bei der Reformation handelte es sich eben um Dinge, die man nicht zu tragen vermochte: da muß handelnd eingegriffen werden. – Weiter handelte es sich bei der Reformation nicht etwa nur um Wissenschaft und Erkenntnis, sondern um das Wesen und die Grundlage der christlichen Kirche, um die Heilslehre selber. Wiederum hat es sich bei der Reformation auch nicht nur gehandelt um die Rettung einzelner Seelen, das will wohl verstanden sein. Der Herr Jesus ist gekommen, selig zu machen das Verlorene und wir preisen ihn als unsern Heiland, weil er unsere Seelen teuer geachtet hat vor Gott. Er hat aber seine Apostel ausgesandt – wie es die Apostel selbst verstanden haben – damit sie sich selbst selig machen und darnach die, so sie hören. So handelt es sich gewiß beim Werk der Reformation um Rettung der Seelen, aber nicht nur um Rettung der einzelnen Seelen. Der Herr Jesus hat nicht dazu uns Menschen erlöst, damit nun etwa jeder seinen eigenen Weg gehen soll, sondern dazu hat er uns erlöst, damit wir in seinem Reiche unter ihm leben und ihm dienen sollen. Die Seelen, die wir also Jesu zuführen, müssen wir zugleich seiner Kirche zuführen, denn wer dem Herrn Jesus angehört, der gehört auch der Kirche an. So haben wir es gestern als starken Mangel des trefflichen D. von Staupitz, des Lehrers Luthers, erkannt, daß er sich damit zufrieden gab, selbst die Wahrheit zu kennen, an dem Werk der Reformation aber sich nicht beteiligte. So hat die Reformation darnach getrachtet (weil sie es im rechten Sinn meinte und übte) zu einer Erneuerung der Kirche zu kommen. Die Reformation der Kirche mußte zu einer Kirche der Reformation führen, sonst wäre sie vergeblich gewesen, so wie das Werk der Vorreformatoren nicht zum Ziel geführt hat.

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Dabei muß aber noch auf etwas aufmerksam gemacht werden. Die Katholiken richten gerne an Evangelische die etwas verfängliche Frage: „Wie alt ist eure Kirche?“ Wenn jemand unvorsichtig darauf antwortet: „3 bis 400 Jahre ist sie alt“, dann sagen die Katholiken triumphierend: „Dann ist sie falsch, denn eine neue Kirche kann nicht die rechte sein.“ Die Antwort auf diese Frage muß anders gegeben werden. Die evangelische Kirche ist so alt, wie die Kirche Jesu Christi selber. Sie hat ihren Ursprung genommen am Tage der Pfingsten; es gibt nur eine Kirche, eine zu allen Zeiten. Aber