Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 112.png

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Genf und Zürich in gesetzlicher Weise einen Gottesstaat einzurichten und Calvin ist soweit gegangen, daß er einen Leugner der Gottheit Christi namens Michael Servede öffentlich vor seinen Augen in Genf dem Feuertode überantwortete. Die lutherische Kirche hat überall versucht, die natürlichen Verhältnisse mit dem Geiste des Evangeliums zu durchdringen. Wie schöne bürgerliche Ordnungen hat sie geschaffen, wie manch edle christliche Sitte, was für Gaben hat sie dem Volke dargereicht in ihrer erbaulichen Literatur. Man kann da auch sagen, wie vom Kirchenlied, von der Quelle der Reformation aus hat sich ein Strom geisterfüllter Schriften ergossen, der der Christenheit Segen bringt bis zum heutigen Tag. Denken wir an die Gebetbücher, von Habermann an bis auf Schmolck und Johann Friedrich Starck, an die Erbauungsliteratur wie sie allein von Nürnberg ausgegangen ist. Ein Muster eines lutherisch-christlichen Landesfürsten kann der Herzog Ernst von Gotha füglich genannt werden.

Insbesondere möge, was die Wirkung der Kirche der Reformation auf das öffentliche Leben anlangt, auf zwei Einrichtungen hingewiesen werden. Die erste ist die Armenpflege. Von der päpstlichen Kirche wurde im Mittelalter der Bettel geradezu großgezogen. Haben doch die Mönchsorden, Dominikaner, Franziskaner, Augustiner den Bettel gewerbsmäßig geübt. Vor den Kirchen ferner fanden sich die Bettler zusammen und sollten sich dort zusammenfinden, daß die Gläubigen Gelegenheit hätten, gute Werke zu vollbringen. Luther hat das abgestellt und zu geordneter Armenpflege geraten. Opfer sollten im Gottesdienst gesammelt und recht und gleichmäßig für die Armen verwendet werden. Er wurde damit der Begründer der Armenpflege durch die christliche Gemeinde. Heute noch steht Deutschland in der Ordnung der öffentlichen Armenpflege und der Fürsorge für nicht mehr Arbeitsfähige allen andern Ländern voran und soweit andere Länder derartige Einrichtungen haben, haben sie dieselben von Deutschland her übernommen. Luther hat freilich nur die christliche Gemeinde mit der Ordnung der Armenpflege betrauen wollen; sie ist später an die bürgerliche Gemeinde übergegangen. Evangelischer Geist aber hat das hervorgerufen.

Das andere Gewächs der Kirche der Reformation auf diesem Gebiet ist die christliche Schule. Hier steht Deutschland erst recht allen voran. Selbst Länder, bei denen das Christentum eine starke öffentliche Macht ist wie England, kennen die christliche Volksschule nicht. Deutschland hat immer als Land der Schule gelten können, erst die Klosterschulen, dann Karls des Großen Schulen auf den Königshöfen. Aber doch eigentlich erst die Reformation hat das christliche Volksschulwesen begründet. Luther schrieb 1524 die Schrift an die Bürgermeister und Ratsherren deutscher Städte, daß sie sollten christliche Schulen aufrichten. Er hat im Jahre 1530