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Walther Kabel: Eigenartige Einladungen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 7, S. 237–238

berichtet, der Herr v. Auberville im fünften Gange durch einen Degenstoß, der das Herz durchbohrte, getötet. Und – ein Zeichen der damaligen Sittenverrohung! – der Vetter des Gefallenen ließ sofort an Ort und Stelle das blutbefleckte seidene Hemd Aubervilles in kleine Stückchen zerschneiden und an die anwesenden Damen verteilen, die auch nicht im entferntesten daran gedacht hatten, beim Anblick des unter dem wohlgezielten Degenstoße Zusammensinkenden in Ohnmacht zu fallen.

In Kalifornien hatten Verbrecher, die zum Tode verurteilt waren, das Recht, zu ihrer Hinrichtung Freunde und Bekannte einzuladen. Darin waren sie in keiner Weise beschränkt, und alle in regelrechter Form „gebetenen Gäste“ wurden zu dem grausigen Schauspiele zugelassen. Das vorgedruckte Formular der Einladung lautete: „Sie werden hiermit ergebenst gebeten, der Hinrichtung von X. Y. im Gefängnishofe nächsten Freitag, vormittags elf Uhr, beizuwohnen. Zeigen Sie diese Karte gefälligst dem Kapitän am Gefängnistor vor. Eine Übertragung an andere ist unbedingt unstatthaft.“

Da in jedem Verbrecher ein großes Stück Renommiersucht und Eitelkeit steckt, so machten die meisten von diesem Rechte, ihre Bekannte auf ihrem letzten Gange um sich zu haben, tatsächlich Gebrauch. Sie zeigten sich größtenteils äußerst gefaßt, um von ihren Freunden nicht für Schwächlinge gehalten zu werden.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Eigenartige Einladungen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 7, S. 237–238. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eigenartige_Einladungen.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)