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Walther Kabel: Ein Jenseits auf Erden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 11)

einen Blick in das Jenseits getan und daher das Anrecht auf eine Fortexistenz hier auf Erden verwirkt hätten. Willenlos sollten die Betreffenden sich fortführen lassen und geduldig die Strapazen einer oft wochenlangen Reise nach jenem versteckten Orte auf sich nehmen, alles in der Hoffnung, dadurch später eine besondere Bevorzugung in Brahmas Himmel zu genießen.

Weiteres vermochte der Brahmane nicht anzugeben, da er das Tal der Toten selbst noch nicht gesehen hatte, und Leute, die in jene Schlucht verbannt wurden, lebend niemals wiederkehrten.

Kelburne schenkte diesem Bericht zunächst wenig Glauben, erstattete aber doch an seine vorgesetzte Behörde nach Kalkutta eine eingehende Meldung. Daraufhin wurden ganz im geheimen weitere Nachforschungen angestellt. Aber alle Versuche, näheres über das „Jenseits auf Erden“ zu erfahren, scheiterten an der Verschwiegenheit der Eingeweihten.

Ein halbes Jahr später fand man dann eines Morgens in Jaipur vor dem Palaste des Residenten jenen Brahmanen erdrosselt auf. Der oder die Mörder wurden nie entdeckt. Trotzdem ahnte der Resident, daß hier nur ein Racheakt der Brahmanen vorliegen könne, die inzwischen von dem Verrat eines Genossen Kenntnis erhalten haben mußten.

Jahre vergingen. Inzwischen war der Posten des Residenten in Jaipur neu besetzt worden. Der Nachfolger Kelburnes, Sir Hislington, entdeckte einmal zufällig in dem Archiv der Residentschaft jenes Aktenstück, das über das geheimnisvolle Tal der Toten handelte. Sofort nahm er die seinerzeit eingestellten Nachforschungen wieder auf, wobei er keine Gelegenheit vorübergehen ließ, um über die diesem Gerücht doch fraglos zugrunde liegenden Tatsachen Aufschluß zu erhalten. Unter anderem sicherte er auch einem Brahmanen, der wegen eines Mordes zum Tode verurteilt worden war, Begnadigung zu, falls dieser über das „Jenseits auf Erden“ genaue Auskunft geben würde. Der Brahmane blieb aber standhaft. Erst am Morgen des für die Hinrichtung bestimmten Tages ließ er Sir Hislington in das Gefängnis rufen und hatte eine lange Unterredung unter

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Walther Kabel: Ein Jenseits auf Erden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 11). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Jenseits_auf_Erden.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)