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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

und Scham vergehen, wenn ich diese Operndiva mit dir zusammen noch in derselben Stadt weiß.“

Dieser Angstschrei eines leidenschaftlich liebenden Frauenherzens raubte dem Manne die ruhige Überlegung, die Fähigkeit, die Folgen seiner Antwort klar zu übersehen. Sollte er denn wirklich diese Stunde durch ein Geständnis stören, sollte er diese schönen Augen mit Tränen füllen, dieser reinen Frauenseele die Ruhe nehmen? Wozu der Geliebten diesen Schmerz antun, da er doch wußte, daß seine Neigung für die Sängerin längst verflogen war wie ein kurzer Rausch, daß er frei sein würde, ganz frei, sobald er es nur wollte.

Da hatte er ihr den zuckenden Mund mit Küssen verschlossen, hatte sie fest in seine Arme genommen und ihr beruhigend zugeflüstert: „Ich bin dein, Ellen, nur dein! Mit niemandem brauchst du zu teilen. Wen sollte ich dir wohl auch vorziehen, du meine Königin – wen? Es lebt ja kein Weib, das dir gleicht!“

Und vertrauensvoll hatte sie dann zu ihm aufgeblickt, unter Tränen gelächelt. „Ich danke dir für diese Worte, Horst. Jetzt erst bin ich ganz glücklich.“

Horst Dittmers war es wie ein körperlicher Schmerz bei diesen gläubigen Worten durch das Herz gezuckt. Schon begann die Reue. Und erst nach Tagen hatte er ein immer wiederkehrendes unsicheres Gefühl, ein ihn schwer belastendes Schuldbewußtsein der Geliebten gegenüber einigermaßen überwunden.

Von einer Veröffentlichung der Verlobung wollte Frau Ellen vorläufig noch nichts wissen.

„Laß mir doch das heimliche Glück noch eine Weile. Du bist ja mein, und ich ganz, ganz dein. Wenn erst die Menschen kommen mit ihren leeren Glückwunschphrasen und neugierigen Blicken, dann nehmen sie uns

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Walther Kabel: Ein Wiederfinden (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Wiederfinden.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)