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Walther Kabel: Ein berühmter Spionagefall. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 7, S. 203–208

In den Londoner Zeitungen erschienen dann im Februar 1861 offenbar von der englischen Regierung herrührende, vollkommen gleichlautende Artikel, in denen der den „Triton“ betreffende Spionagefall eingehend besprochen wurde. Und der Inhalt dieser Artikel dürfte mit den Tatsachen bis auf Kleinigkeiten übereingestimmt haben. André Charlatier, wegen des schweren Verbrechens wider die militärische Disziplin zu Gefängnis verurteilt, hatte sich – ob aus eigener Initiative oder auf Anraten seiner Vorgesetzten, wird man niemals erfahren – bereit erklärt, die Ergebnisse der Schießversuche auf den „Triton“ auf irgend eine Weise auszukundschaften. Zu diesem Zweck fuhr er auf der mit zuverlässigen Marineunteroffizieren neu bemannten Jacht seines Vaters bis in die Nähe der Ankerstelle des „Triton“ bei der Insel Wight, ließ sich in der regnerischen Nacht vom 3. zum 4. Oktober nach dem „Triton“ rudern oder erreichte ihn schwimmend, verbarg sich dort in den unteren Schiffsräumen und stellte in den Pausen der Beschießung die notwendigen Beobachtungen an. In der folgenden Nacht gelangte er dann durch jenes von der Fregatte „India“ aus bemerkte Boot wieder an Bord der „L’Esperance“ zurück. Als Lohn für diese verwegene Tat, die ihm sein Leben hätte kosten können, zugleich aber auch seinem Vaterlande so bedeutungsvolle Kenntnisse verschaffte, wurde er nicht nur in die Marine wieder eingestellt, sondern auch unter Überspringung mehrerer Vorderleute zum Kapitän befördert.

So schilderten die englischen Blätter damals den Sachverhalt. Die französische Presse hat diese Kombinationen, die sich auf so klares Material stützten, stets nur als „schamlose Verdächtigungen“ bezeichnet. Die Pariser Regierung äußerte sich überhaupt nicht dazu. Und das war das Klügste, was sie tun konnte. Denn ein Abstreiten dieser in ihren Einzelheiten so interessanten Spionageaffäre wäre selbst für das Kabinett des dritten Napoleon eine zu starke Unverfrorenheit gewesen, besonders da jener Artikel in der Pariser Zeitschrift für Schiffsbau nur mit Wissen und Willen der französischen Admiralität veröffentlicht sein konnte, wahrscheinlich um dem stolzen Glauben der Engländer an ihre Überlegenheit

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Walther Kabel: Ein berühmter Spionagefall. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 7, S. 203–208. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_ber%C3%BChmter_Spionagefall.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)