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Walther Kabel: Ein fürstliches Preisausschreiben (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

Ein fürstliches Preisausschreiben. – Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, der spätere Kurfürst Wilhelm I., blieb, trotzdem die Nachbarstaaten die Zöpfe in ihren Armeen schon längst abgeschafft hatten, der alten Sitte mit einer Zähigkeit treu, die ihm nicht wenig den Spott seiner Zeitgenossen eintrug. Um echte und schöne Zöpfe zu erzeugen, setzte er eines Tages sogar einen Preis für eine den Haarwuchs befördernde Salbe aus. Dieser merkwürdige Erlaß, der in dem ganzen Kurfürstentum verbreitet wurde, ist in einigen Exemplaren noch vorhanden.

Natürlich benützten die verschiedensten Schwindler diese Gelegenheit, um ihren Beutel zu füllen. So ließ sich auch einst im Schlosse zu Wilhelmshöhe bei dem Landgrafen ein Mann melden, der ein unfehlbares Haarwuchsmittel erfunden haben wollte. Aufgefordert, einen Beweis für die Güte seiner Salbe zu erbringen, erschien der Schwindler am folgenden Tage mit einem Menschen im Schlosse, der nur über ein recht dünnes und kurzes Haupthaar verfügte. – „Kurfürstliche Gnaden,“ begann der Gauner, „ich werde diesen Mann nach vierzehn Tagen wieder vorstellen, und er wird infolge der Behandlung mit meiner Salbe eine wahre Löwenmähne haben.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Ein fürstliches Preisausschreiben (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_f%C3%BCrstliches_Preisausschreiben.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)