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Walther Kabel: Ein merkwürdiger Sport. In: Deutscher Hausschatz, 23. Heft, 37. Jahrgang, S. 1077–1078

Ein merkwürdiger Sport.
Von W. Kabel.

Das Schmuggeln, die verbotswidrige Einführung von Waren in ein fremdes Staatsgebiet mit der Absicht der Hinterziehung des darauf gelegten Zolles, wird als leichte Verdienstmöglichkeit nicht nur von den ärmeren Bewohnern der Grenzdistrikte, sondern eigentümlicherweise als Sport gerade von Leuten betrieben, deren Vermögen sich oft auf Millionen beziffern. In dieser Beziehung leisten besonders die Amerikaner, Herren und Damen, Großes. Mit einer gewissen Genialität ersinnen sie stets neue Tricks, um die Zollbeamten zu täuschen. Dabei ist dieser Sport keineswegs billig und ungefährlich, wie aus den unten angeführten Fällen hervorgeht.

Frau G. gehört zu den vornehmsten Damen der Gesellschaft von Boston. Der Zollbehörde in New York fiel es auf, daß im Laufe weniger Monate eine ganze Anzahl von ziemlich wertlosen und einfach eingerahmten Gemälden für Frau G., Boston, eintraf. Man wußte, daß diese Dame früher nur äußerst selten alte Meister zur Ausschmückung ihres Palastes eingeführt hatte, und konnte sich die plötzliche Schwärmerei für derartige Dutzendware, wie sie jetzt stets von Frau G. verzollt wurde, nicht recht erklären. Eines Tages kam wieder eine Kiste mit jener Adresse an. Wieder enthielt sie ein Bild, das ein sachverständiger Beamter auf kaum 50 Dollars abschätzte. In dem Bureau der Zollbehörde besprach man nun abermals diese immerhin auffallenden Bildersendungen und beschloß dann, einen Detektiv nach Boston zu senden, um nach dem Verbleib der Gemälde forschen zu lassen, da man nicht annehmen konnte, Frau G. würde derartige Stücke ihrer Galerie einverleiben. Dieser Geheimagent der Zollbehörde war gerieben genug, sich für die Stellung eines zweiten Dieners bei Frau G. anwerben zu lassen. Auf diese Weise – und anders wäre der Betrug wohl nie aufgedeckt worden – stellte er fest, daß die Bilder, auf welchen stellenweise die Farbe mehr als zentimeterdick aufgetragen war, in Paris von einem verarmten Maler nur zu dem Zweck angefertigt wurden, um unter der Ölfarbe in ganz dünne Gummibeutelchen gehüllte Perlen und Edelsteine verbergen zu können und zwar überall da, wo eben starke Farbenklexe nicht auffallen konnten. Das „Spicken“ der Gemälde mit Edelsteinen sowie das Verpacken und Absenden besorgte eine Pariser Vertrauensperson der Frau G. Der Detektiv fand in einem Turmzimmer des G’schen Palastes nicht weniger als 26 dieser merkwürdigen Ölbilder, an denen noch deutlich zu erkennen war, wo die Pretiosen unter der sie selbst vor den Augen des gewitztesten Zollbeamten schützenden Ölschicht gesessen hatten. So hatten die als dicke weiße Farbenklexe gemalten Wogenkämme eines Gemäldes „Sturmnacht“ nicht weniger als 12 derartige Verstecke enthalten. Der Prozeß gegen Frau G., die auch für gute Freundinnen auf diese Weise Perlen und Diamanten eingeschmuggelt hatte, gestaltete sich insofern zu einer Tragödie aus, als die Dame sich aus Verzweiflung wegen der öffentlichen Bloßstellung ihrer Person mit Morphium vergiftete.

Herr L., der zu den oberen Zehntausend von New York gehört, hatte in Amsterdam eine Anzahl Edelsteine erworben, um sie daheim zu einer Halskette vereinigen zu lassen. Noch im letzten Augenblick wurde dies der Zollbehörde in New York bekannt. Aber Herr L. leugnete bei seiner Ankunft in Amerika aufs entschiedenste, ungefaßte Brillanten bei sich zu haben. Man durchforschte die Koffer, und ein besonders findiger Beamter fand hierbei einige Schachteln mit Pillen, die nach der Aufschrift auf den Deckeln ein Mittel gegen Migräne darstellten. Leider waren die Pillen unverhältnismäßig groß geraten, und dies war Herrn L’s Unglück. Man zerdrückte die Pillen eine nach der andern, und siehe da: die Hälfte von ihnen enthielt erbsengroße Diamanten, welche zusammen einen Wert von 50 000 Dollars hatten. Der Schmuggelsport kam dem Herrn recht teuer zu stehen: L. zahlte nicht weniger als 15 000 Dollars Strafe.

Ein anderes Mal wieder wurde der Zollbehörde in New York durch einen ihrer Agenten hinterbracht, daß eine Frau Wenlerley auf einer Auktion in Paris einen echten Rubens („Fischermädchen“, Größe 34:27 cm) erstanden habe. Bei der Zollrevision aber war der Rubens nirgends zu finden. Man suchte stundenlang, und Frau Wenlerley stand mit einem malitiösen Lächeln dabei und schaute ruhig zu, wie man ihr Gepäck stets aufs neue durchwühlte und die Koffer nach verborgenen Fächern abklopfte. Schon wollten die Beamten das Spiel

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Ein merkwürdiger Sport. In: Deutscher Hausschatz, 23. Heft, 37. Jahrgang, S. 1077–1078. Friedrich Pustet, Regensburg, Rom, New York, Cincinnati 1911, Seite 1077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_merkw%C3%BCrdiger_Sport_(Deutscher_Hausschatz).pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)