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Walther Kabel: Ein rettender Einfall (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 8)

Jahren war er bereits imstande, die zierlichsten Figürchen zu modellieren. Ihm, dem das Augenlicht fehlte und der sich daher in seine eigene phantastische Welt eingesponnen hatte, flogen die Ideen für immer neue Figuren- und Tiergruppen förmlich zu. Bald wurde ein Porzellanwarenfabrikant auf die in jeder Hinsicht künstlerischen und eigenartigen Werke Bennhofers aufmerksam und beschäftigte ihn dauernd, so daß der blinde Modelleur sich seinen Lebensunterhalt mehr als reichlich verdiente.

Und dann trat auch wirklich plötzlich strahlendes Glück in das Leben des einsamen, zum ernsten Manne herangereiften Künstlers. Die Braut, die ihn nur halb gezwungen aufgegeben hatte, kehrte zu ihm zurück, und bald wurde aus beiden ein seliges Paar. Bennhofers Ehrgeiz gab sich jetzt aber mit dem bisher Erreichten nicht mehr zufrieden. Er nahm eine größere Arbeit in Angriff, die er für die Münchener Kunstausstellung in Bronze gießen lassen wollte. So entstand im Verlauf von drei Monaten seine rührende Gruppe „Der blinde Gatte“, die ihm 1864 in München die goldene Medaille einbrachte und dann von dem Wiener Nationalmuseum angekauft wurde. Mit diesem Werk hatte er sich einen Platz neben den ersten bildenden Künstlern seiner Zeit errungen.

Sein Talent, nicht mehr eingeengt durch kleinliche Nahrungssorgen, entfaltete nun erst seine ganze Vielseitigkeit. Er schuf noch eine ganze Anzahl von Gruppen und Einzelfiguren, die ebenso durch Feinheit der Ausarbeitung wie eigenartige Auffassung das wahre Genie verrieten. Bennhofer starb im Jahre 1889 an einer Lungenentzündung. Seine Familie bewahrt noch heute wie eine Reliquie die Schnur auf, in die der berühmte Augenarzt einst jenen ersten Knoten geknüpft hatte, durch den ein völlig Verzweifelter sich in Wahrheit zu sich selbst zurückfand.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Ein rettender Einfall (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 8). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_rettender_Einfall.pdf/4&oldid=- (Version vom 6.5.2018)