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Walther Kabel: Ein verhängnisvoller Pirschgang (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4)

Bernauer Barbier Wartenberg die völlig zerfetzten beiden Glieder des rechten Zeigefingers so gut, daß sich keine weiteren Komplikationen einstellten und der Fingerstumpf bereits nach vierzehn Tagen tadellos verheilt war.

Prinz Wilhelm soll über diesen Unfall stets sehr ungern gesprochen haben, blieb aber jedenfalls immer bei seiner ersten Darstellung, daß sein Gewehr sich von selbst entladen habe, obwohl Zweifel laut wurden, ob der Sachverhalt nicht ein ganz anderer gewesen sei. Der Förster, der damals den Prinzen und den Obersten in den Wald begleitet hatte, wollte nämlich, als er davonlief, um den Wagen zu holen, noch einen zweiten Schuß aus der Richtung gehört haben, wo die beiden Herren sich befanden. Als er dann nachher die Gewehre der Jagdgäste nach dem Schlosse trug, konnte er feststellen, daß beide Büchsen frisch abgeschossen waren, obwohl Herr v. Malachowski gar nicht zum Schuß gekommen war. Später soll er dann auch den unversehrten Ladestock der Flinte des Prinzen in einem Gebüsch unweit der Unfallstelle gefunden haben.

Die Vermutung, die der Förster Bekannten gegenüber aussprach, ging nun dahin, daß sich nicht die Büchse des Prinzen, sondern die mit Schrot geladene des Herrn v. Malachowski durch dessen Unvorsichtigkeit entladen und der Schrotschuß dem in nächster Nähe stehenden Prinzen den Finger zerschmettert habe. Als Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme führte der Förster folgendes an: Würde die Flinte des Prinzen wirklich beim Feststoßen der Kugel losgegangen sein, so würde der mit großer Gewalt herausgeschleuderte Ladestock an den starken Ästen der Eiche, unter der die Herren im Augenblick des Unfalles standen, unfehlbar zerschmettert worden sein. Er lag jedoch vollkommen unverletzt in einem nahen Haselnußgebüsch. Dann war der erste Schuß, den der Förster hörte, und der dem Prinzen zwei Fingerglieder kostete, dem Klange nach ein Schrotschuß, dagegen der zweite, den er nachher auf dem Wege zum Schlosse vernahm, ein Kugelschuß.

Bei Hofe wurden natürlich durch Lakaiengeschwätz diese Gerüchte, Oberst v. Malachowski sei an der Verwundung des Prinzen schuld, bald allgemein bekannt. Man erzählte sich

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Walther Kabel: Ein verhängnisvoller Pirschgang (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verh%C3%A4ngnisvoller_Pirschgang.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)