Seite:Eine Nordpolfahrt.pdf/25

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ein, und so bewegte sich der Brautzug unter Trompeten- und Posaunengeschmetter über das Eis auf das Land zu, hier, in der Nähe des achtzigsten Breitengrades, den nur verwegene Walfischfänger und todesmutige Polarfischer überschritten haben.

Die Matrosen konnten die Schlitten vor Lachen kaum ziehen, und Richard, der gleichfalls lachen mußte, hielt sich, um seine Autorität nicht zu verlieren, bei ihnen auf.

In solch feierlicher Prozession wurde das Land betreten; dann hob der Komiker den Knüppel, um Halt zu kommandieren; aber noch ehe er dies thun konnte, ereignete sich etwas, was die Musik von selbst verstummen machte und den Fuß auf den Boden festbannte.

Plötzlich stand nämlich seitwärts von dem Zuge, nur zehn Schritte von dem mittelsten entfernt, ein riesiger Eisbär, der im Schnee übersehen worden war. Knurrend fletschte er die Zähne gegen die frechen Ruhestörer in seinem Reiche und erhob schon die furchtbare Pranke zum Schlage.

Hier hörte der Scherz auf. Gelähmt vor Entsetzen standen sie alle da. Sie hatten einen Eisbären ja nur im Zwinger gesehen und dabei noch nicht einmal einen von solcher riesenhaften Größe. Wohl hatten sie sich alle in ihrer lebhaften Einbildungskraft, die ja den Künstler ausmacht, schon einmal ausgemalt, wie es sein müsse, wenn das Gitter plötzlich bräche, und sie dem freien Raubtiere Auge im Auge gegenüberstünden, und sich dann eines Grausens nicht zu erwehren vermocht! Jetzt war die Phantasie zur Wirklichkeit geworden!

Es war aber auch in der That eine böse Situation. Sämtliche Gewehre[WS 1] befanden sich auf den Schlitten, wo sie mindestens mit Stricken vor dem Herabfallen geschützt waren, sie hätten erst herabgenommen und geladen werden müssen, die Seeleute aber waren keine professionsmäßigen Polarjäger, selbst Richard nicht, der einzige, der einen Revolver bei sich führte und ihn zwar gezogen hatte, aber nicht zu schießen wagte, denn der verwundete Eisbär wäre dann zu allem fähig

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gewehrte
Empfohlene Zitierweise:
Robert Kraft: Eine Nordpolfahrt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Nordpolfahrt.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)