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beleidigt haben (öffentliche Beleidigung, Strafgesetzbuch § soundso, Gefängnis), fordere ich Sie auf, durch Widerruf in allen Zeitungen der Stadt sowie durch eine einmalige, an die Armenhilfskasse zu zahlende Buße von …“ – und so weiter. –

Dieses Schreiben erreichte den Rentner Morwitz am nächsten Morgen, als er gerade wieder über die Brötchen und die Butter und den Honig schalt und trotzdem mit allerbestem Appetit bereits beim vierten der miserablen Brötchen war. Der Appetit verging ihm.

„Aha, von deinem Freunde, Lotte! Natürlich, der Herr Rechtsanwalt Gart! Feine Mandantin! Die Piesecke! Unerhört – dreitausend Mark an die Armenhilfskasse! Bin selbst arm und bedürftig und …“ – sein zuerst empörter Ton wurde immer weinerlicher – „und werde nun völlig ruiniert! Dreitausend Mark, – ich muß Papiere verkaufen, das bedeutet Zinsverlust, dann können wir hungern, und das haben wir nur deinem Freunde zu danken …“ in der Tonart ging es wohl zehn Minuten lang.

Nach diesen zehn Minuten war Herr Anton Morwitz jedoch schon so zahm geworden, daß er nur noch an das drohende Gefängnis und an die Blamage dachte, wenn er wirklich in allen Zeitungen sein Geschwätz am Stammtisch widerrufen müßte …

Empfohlene Zitierweise:
K. Walther: Eine alte Kommode. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1935, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_alte_Kommode.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)